Brasserie «Federal»: Die Kronenhalle der Bähnler

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Unsere Kulinarierin ist mal wieder eingekehrt in der Brasserie «Federal» im Zürcher Hauptbahnhof, in diesem beeindruckenden denkmalgeschützten Saal. Vom kulinarischen Angebot war sie nicht weniger angetan.

Im Hauptbahnhof Zürich isst und trinkt man seit 1921 sozusagen «historisch». Damals übernahm Primus Bon (1884-1974), Stammvater der Candrian-Dynastie, von der SBB die gesamte Gastronomie im Hauptbahnhof Zürich. Der war 1847 als Endpunkt der ersten Bahnstrecke nach Baden eröffnet worden und gehört zu den ältesten Bahnhöfen des Landes. Die oberirdischen Teile des HB stehen unter Denkmalschutz. Die Brasserie «Federal» wurde 1997 eröffnet.

Zufluchtsort
Lassen wir doch gleich den heute noch lesenswerten Schriftsteller und späteren «Du»-Erfinder Arnold Kübler (1890-1983) loslegen, den unvergesslichen «Öppi von Wasenwachs» (was Wiesendangen bedeutet): «Die Bahnhofswirtschaft ist die grösste Wirtschaft Zürichs, hat die höchsten Räume mit einem klassizistischen Architektureinschlag, hat die meisten Saaltöchter, die zusammen mit den Gästen für mehr als zwanzigtausend Franken Geschirr im Laufe eines Jahres zerschlagen; sie hat einen erstklassigen und einen zweitklassigen Teil, wie sie selber sagt…»
Kübler verehrte seinen 1976 bei Ex Libris erschienenen Text der Saaltochter Babette, die das damalige Restaurant für Drittklassfahrgäste betreute, wo er immer frühmorgens, vor dem Tagewerk als Redaktor der «Zürcher Illustrierten» und später des «DU» zuhinterst an einem kleinen Tisch seine Romane schrieb, unterstützt von den dort verkehrenden Eisenbahnern. Sie waren seine ersten Leser. Mit dem omnipräsenten Primus Bon führte er eine längere, angeregte Diskussion über die Installation eines Schreibtischlämpchens.
Die heutige «Brasserie Federal» war ursprünglich die einfache Zuflucht für Reisende mit kleinem Portemonnaie und grossem Hunger/Durst. Und viele heutige Senioren werden sich noch daran erinnern, dass sie an der Seite ihrer fürsorglichen Mütter in der vorgelagerten und 1991 abgebrochenen alkoholfreien «Chüechliwirtschaft» Ovomaltine getrunken haben. Für viele Besucherinnen und Besucher aus der Ost- und der Innerschweiz war dies der erste ersehnte Höhepunkt der Einkaufsreise aus Flüelen oder Bazenheid nach Zürich – einmal im Jahr, wenn die Mutter beim Ober oder beim Feldpausch Kleiderstoff besorgte.

Heute noch ein Refugium
Nun zurück in die Wirklichkeit! Die Brasserie «Federal» ist noch heute ein Phänomen, ein vitales und gepflegtes Gegenstück zu dem ganzen teuren Gastro-Schickimicki dieser Tage.
Wir sitzen dort an einem Mittwochmittag. Der mächtige, denkmalgeschützte Saal ist erstaunlich gut besetzt. Neben uns hat sich ein Stammtisch mit zehn älteren Herren niedergelassen. Einer von ihnen ist blind; es ist rührend, wie die Männer sich um ihn kümmern. Wir sehen auffallend viel junges, budgetbewusstes Publikum. Kellner Lassaad aus Tunesien ist ein liebenswürdiger und tüchtiger Gastgeber, und er hat – es ist der 26. April – schon frischen Rafzer Spargel anzubieten. Nix wie los! Auf den Tisch kommen fünf mächtige Prügel mit jungen Kartoffeln an einer delikaten Hollandaise (Fr. 29.50), ein Genuss! Mein Partner rühmt den Fleischkäse mit «Züri Frites» – ein 400-Gramm-Stück von bester Qualität. Beides ist zu viel für uns! Ungefragt bringt Lassaad Gebinde und Säckli zum Heimnehmen. Der delikate weisse Merlot (Fr. 7.– pro Dezi) passt.

Kulinarische Dreifaltigkeit
Jetzt mal ehrlich: Wir haben seit Monaten in Zürich kein Essen mehr genossen, das in der Dreifaltigkeit von Qualität, Preis und Menge so perfekt gewesen wäre. Das «Federal» ist bodenständig, aber fein und jeden Franken wert: Wurscht-Chäs-Salat Isebähnler Art (Fr. 23.50), Muotathaler Plättli in zwei Grössen (Fr. 22.50/30.50), Ghackets mit Hörnli (Fr. 22.–), Cordon Bleu vom Säuli aus dem Entlebuch (Fr. 30.50).
In dieser «Kronenhalle der Eisenbahner» kostet das Zürcher Chalbs-Gschnätzlete mit Rösti Fr. 34.50, in der anderen «Kronenhalle» schon fast das Doppelte (Fr. 61.–). Auf den Qualitätsvergleich würden wir es gerne ankommen lassen.
Über dem mächtigen Saal thront, für alle sichtbar, die Bahnhofsuhr; die meisten haben es hier ja pressant. Aber man könnte an den bequemen runden Tischen auch ohne weiteres Sitzungen abhalten. Fünfzig Schweizer Biersorten sind im Programm. Der Service ist flink und betont freundlich. Wir scheiden (bei 4 dl Wein) mit einer Rechnung von Fr. 101.10 und merken uns die Adresse als eine der besten und günstigsten im abscheulich teuren Zürich. Der Sonntagsbrunch (10 bis 14 Uhr) kostet Fr. 49.– inkl. Heissgetränke, für Kinder bis 14 Jahre Fr. 29.–.
Und nehmt genug Hunger mit! Sonst kommt Lassaad mit dem Säckli.

Esther Scheidegger


Brasserie «Federal» im Hauptbahnhof Zürich, Tel. 044 217 15 85, www.brasserie-federal.ch, info@brasserie-federal.ch. Geöffnet Sonntag bis Mittwoch von 9 bis 23, Donnerstag bis Samstag von 9 bis 24 Uhr, Reservation zu den Essenszeiten empfohlen. Das «Federal» zählt 300 Plätze innen und 150 Plätze auf der Terrasse in der Bahnhofshalle.