Ganz wunderbare Hutkreationen

Der letzte Werkstattbesuch galt der Modistin Sonja Rieser, die ihre ­Kreationen in ihrem Ladenatelier an der Froschaugasse herstellt.

Es ist schon eine Weile her, da drängten sich ein Dutzend Personen in den kleinen, feinen Laden von Sonja Rieser an der Froschaugasse 2. Die quirlige Schöpferin stadtbekannter Hüte wirkte fast ein wenig verlegen, als sie begann, über sich und ihre ­Arbeit zu erzählen, und am liebsten hätte sie direkt zum bereitgestellten Apéro übergeleitet.
Seit 1986 arbeitet Sonja Rieser als selbständige Modistin, so die Bezeichnung, bei den Herren heisst der Beruf Hutmacher. Zunächst hatte sie eine Grafiklehre angefangen, doch das war ihr irgendwie zu «platt». Wie sie am Rennweg ein Schild sah mit der Aufschrift «Lehrtochter gesucht», wechselte sie das Metier und machte ihre Lehre bei Chapeau Catherine, wo heute das Widder Hotel ist. In den Achtzigerjahren trugen nur ältere Damen Hüte. Heute sei dies anders, das Geschäft sei indessen wegen der Konkurrenz durch die Warenhäuser nicht einfacher geworden. Sie arbeitete bei Walter Gross, Couture am ­Paradeplatz, wo ein Hut-Atelier angegliedert war. Anschliessend sammelte sie in einem Atelier in Paris wertvolle Erfahrungen und kannte nachher die Adressen, wo Filz, Stroh und Seidenblumen zu finden waren. Und weil solche Adressen rar sind, hat sie bei jeder Geschäftsaufgabe in der Schweiz sämtliches Material ­aufgekauft.

Eigenes Atelier in der Altstadt
Ihr erstes eigenes Atelier hatte sie an der Weinbergstrasse im Soussol. Tagsüber arbeitete sie dort, nachts zum Dazuverdienen auf der Post Mülligen oder in der Dekoration. Bei ihrem zweiten Atelier an der Zwinglistrasse im Kreis 4 hatte sie die Drogenszene vor dem Haus. Sie meldete sich deshalb bei der städtischen ­Liegenschaftenverwaltung an und konnte 1989 ihr Laden-Atelier an der Froschaugasse eröffnen. Hier funktionierte es erstmals ohne Nebenjobs, doch hatte sie lange Arbeitstage.
Früher, beantwortet die charmante Gastgeberin eine Zwischenfrage, ­habe sie oft selbst Hüte getragen, doch heute käme ihr das manchmal zu demonstrativ vor, wie ein Bäcker, der sein Brot herumtrage, und so ­setze sie seltener, je nach Lust und Laune einen Hut auf.
Heute gebe es noch etwa vier bis fünf grössere Hut-Ateliers in der Schweiz, also habe man als Modistin die Wahl, sich entweder selbständig zu machen, ins Ausland arbeiten zu gehen oder bei der Oper eine Stelle zu finden. Es gebe in der ganzen Schweiz gerade noch etwa vier Lehrstellen und sie werde fast wöchentlich nach einer Lehrstelle gefragt.

Handwerk mit Tradition
Vom Handwerk erzählt sie mit Be­geisterung: «Es ist super! Man lernt nähen und formen mit verschiedenen Materialien wie Filz, Stroh und so weiter.» Früher hat sie viel für Werber und für Messen produziert, heute möchte sie lieber ihre eigenen Kreationen verkaufen. Wobei sie ­neben der Herstellung von Hüten auch Kinderkleider näht und nebenbei künstlerisch tätig ist, wie ihre Püppchen und bemalten Tonkrüge beweisen.
Nun gibt die Meisterin noch einen kleinen Einblick in ihr Metier, erklärt, dass sie für Filzhüte Hasenhaar statt Wolle verwende, weil es ­eine bessere Qualität aufweise und feiner sei. Und demonstriert abgekürzt die Herstellung eines Strohhutes. Dazu wird das Stroh genässt und über eine Holzform der gewünschten Grösse gespannt und fixiert, für jede Hutgrösse gibt es solche «Holzköpfe». Interessant dabei ist, dass sie alte Formen aus den 1920er-Jahren besitzt, vorwiegend in den Grössen 54 und 55. Heute verwendet man mehrheitlich die Grössen 58 und 59, weil die Köpfe der Menschen grösser geworden sind. Früher arbeitete in ­jeder Hutfabrik ein Modellschreiner im Keller, heute gibt es in der ganzen Schweiz keinen mehr. Den Strohhut lässt man einen Tag und eine Nacht trocknen. Strohhüte werden aussen, Filzhüte innen lackiert. Sodann ­werden Bändeli und das Futter ­eingenäht. Zum Schluss bringt die Meisterin die Garnitur an. Bei diesen Garnituren lässt Sonja Rieser ihrer Fantasie freien Lauf. Sie verwendet dazu verschiedene Materialien, wobei als Pelz nur Kaninchen in Frage kommt, nicht aber etwa Nerz.

Unverkennbare Kreationen
Ihre Hüte sind oft auch für Laien unverkennbar, obschon alle verschieden sind. Ihren Stil, sie selbst kennt sämtliche ihrer Hüte wieder, wenn sie ihnen in der Stadt begegnet, schätzen ihre Kundinnen teils seit vielen Jahren. Besonders treue ­Kundinnen und begeisterte Hut­trägerinnen sind etwa die Nachbarin Lisbeth Rüegg oder die Sängerin La Lupa, die beide Dutzende ihrer Hüte besitzen. Neben diesen aufwendigen Modellhüten führt sie einfachere Mützen, die entsprechend günstiger sind.
Jetzt, Sonja Rieser hat ihre Hem­mungen längst vergessen, wird es Zeit für den Apéro, und noch eine ganze Weile wird munter und fröhlich weitergeplaudert.

Elmar Melliger

Sonja Rieser Hüte, Froschaugasse 2, Tel. 044 251 38 47. Offen Mittwoch 13 bis 18.30, Donnerstag und Freitag 10 bis 14 und 15 bis 18.30, Samstag 10 bis 16 Uhr.