Ein Rundgang zu Theo Pinkus

Er war am Rande von Kundgebungen anzutreffen, der zierliche Mann mit störrischer Mähne und zwingendem Blick, stets mit prallen Taschen behangen, voll Zeitschriften, die er meisterlich zu vermarkten wusste.

So schaut er uns jetzt aus dem Plakat zur Ausstellung entgegen, die ihm die Zentralbibliothek zum hunderts­ten Geburtstag widmet. Auf der ­Seite, links versteht sich, steht tief-rot sein Name: Theo Pinkus. Man kennt ihn als Buchhändler und Verleger, doch war er auch ein grossartiger Netzwerker und hat Zürich beschenkt, etwa mit der Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiter­bewegung, oder dem Limmat Verlag. Diese Vielfalt zeigt die Ausstellung in Vitrinen mit kostbaren Exponaten. Als Querdenker, Linker und ­Jude kam Pinkus von allen Seiten
in Bedrängnis, er war der meist fichierte Schweizer und wurde sogar von der DDR bespitzelt. Kopien dieser beklemmenden Dokumente sind am Boden zu einer begehbaren ­Spirale ausgelegt. Freilich wurde Pinkus auch geschätzt, hatte eine grosse Familie und Freunde in ganz Europa. In Kurzfilmen schildern ­seine Söhne und Enkelkinder die private Seite der legendären Gründerfigur. – Einige Stationen von ­Pinkus’ Wirken liegen in unserem Quartier – machen wir einen Rundgang: Die kultivierte Familie Pinkus wohnte in einer Villa am Zürichberg. Als Gymnasiast mietete Theo sich am Neumarkt 27 ein, wo er Zusammenkünfte einer sozialistischen Schülerbewegung organisierte. 1927 verarmten die Eltern, Theo zog nach Berlin, absolvierte bei Rowohlt eine Verlagslehre und fand in den Wirren der Weimarerzeit zum Kommunismus. Ende der Dreissigerjahre machte er seine Passion für Bücher zum Beruf und gründete den Büchersuchdienst BSV, seine Bestände lagerte er an der Froschaugasse 18. Mit einem Partner eröffnete er 1945 an der Rämistrasse 33 ein Antiqua­riat. 1948 verlegte Pinkus den BSV an die Predigergasse 7 und verwirklichte bald darauf an der Mühlegasse seinen Traum einer sozialistischen Buchhandlung. Aus politischen Gründen wurden ihm 1956 beide ­Lokale gekündigt, doch er konnte das Haus Froschaugasse 7 erwerben und die Geschäfte darin unter­bringen. 1972 übergab er seinen ­Angestellten die Limmat Buchhand-lung (Volksmund: «der Pinkus») zur Selbstverwaltung. Die Genossenschaft hielt sich, musste 1998 aber ­liquidiert werden. Zum Schluss war sie am Zähringerplatz 15 eingemietet. Ein vitaler Ableger findet sich
an der Ecke Spiegelgasse / Untere Zäune mit «pinkRus», der russischen Buchhandlung.
Der heutige Besitzer Jules Hunsperger hat sie noch als Pinkuslehrling aufgebaut.

Zentralbibliothek Zürich, Katalogsaal,
18. August bis 19. Dezember, Rahmenprogramm
mit Vorträgen www.zb.uzh.ch.

Daniela Donati