Nachruf auf eine «Jugendsünde»

Der Maler Eugen Früh und seine Frau Erna Yoshida Früh-Blenk haben jahrzehntelang in der Altstadt gewohnt, an der Römergasse 9, in einer städtischen Wohnung. Dem Spätwerk Frühs widmet derzeit das Museum Epper in Ascona die Ausstellung «Torna ad Ascona». Warum denn? Wegen einer «Jugendsünde».

Den Sommer vor 78 Jahren, 1932, verbrachten die jungen Zürcher Absolventen der damaligen Kunstgewerbeschule nämlich in der vom Belper Buchdrucker Fritz Jordi (1875-1938) gegründeten Künstlerkommune Fontana Martina in Ronco sopra Ascona. Sie wohnten tessinselig in der Casa rossa, mit traumhafter Aussicht vom Balkon aus, auf den Lago Maggiore und die Brissago-Inseln. Jordi hatte die verödete Ruinen-Siedlung 1923 für 18 000 Franken gekauft und mit Hilfe von Freunden und Gesinnungsgenossen wieder bewohnbar gemacht; sie existiert noch heute.
Dieser Jordi richtete in Fontana Martina eine kleine Druckerei ein und gab die Zeitschrift «Fontana Martina» heraus, eine linke Halbmonatszeitschrift mit Originalgrafiken und Texten. Die Nummer 19, eine der letzten Nummern, haben Eugen und Yoshida mit Linolschnitten illustriert. Ihr kurzzeitiger Patron war zwar ein Radikaler, aber kein Bürgerschreck. Der Journalist und Romanautor Felix Moeschlin, der von 1941-1965 in Brissago lebte, schrieb jedenfalls über ihn: «Und was den Kommunisten betrifft, der oben am Berg sogar eine kleine Druckerei besitzt (…) wer wird ihn wichtig nehmen, ein schlimmer Kerl ist das nicht, denn wenn ihm im Garten das Unkraut über den Kopf wächst, verschiebt er die ‹Weltrevolution› um vierzehn Tage, um Zeit zu finden, mit seinem Unkraut fertig zu werden.»
In Zürich lebte Früh, ab 1944 wie gesagt an der Römergasse, als Maler und Illustrator. Seine Frau steckte beruflich brav zurück, wie es damals noch üblich war. Sie gehörten zu den «Samstagsbündlern» wie Paul Ad. Brenner, Max Frisch und Hans Schumacher, die sich regelmässig im Café Terrasse trafen. Früh illustrierte Werke kreuz und quer durch die zeitgenössische Schweizer Literatur, malte Wandbilder für die Landi. 1947 illustrierte er Max Frischs erstes aufgeführtes Bühnenstück «Santa Cruz». Zu ihrer letzten Zusammenarbeit kam es im Freibad Letzigraben: Früh malte auf 10 Metern Länge und über 2 Metern Höhe eine hellblaue Unterwasserlandschaft mit Pflanzen, Steinen und drei riesigen Fischen, das heute wieder in alter Frische gefällt. 1959 erlitt er einen Schlaganfall, seine rechte Hand war vorübergehend gelähmt, er rappelte sich aber wieder auf. Als er 1962 im gerade renovierten Helmhaus ausstellte, rühmten die Kritiker sein «lang erwartetes Comeback». 1967 bekam er den Kunstpreis der Stadt Zürich. Am 18. Juli 1975 starb er an Krebs. Bestattet wurden er und 21 Jahre später seine Witwe in einer gemeinsamen Urnennische auf dem Friedhof Sihlfeld.

Esther Scheidegger