Gin & Lemon und Jubel

Seit drei Jahren küren Schweizer Schokoladenliebhaber die Produkte von Honold zu ihren Lieblingen. Grund genug, in den Rennweg einzubiegen und die Vitrinen der Confiserie leerzukaufen.

Seit drei Jahren küren Schweizer Schokoladenliebhaber die Produkte von Honold zu ihren Lieblingen. Grund genug, in den Rennweg einzubiegen und die Vitrinen der Confiserie leerzukaufen.

Ich weiss ja nicht, wo Sie Ersatz finden, wenn das Neonröhrchen des Dampfabzugs überm Herd flackert. Meine langjährige gute Freundin Daniela Gysel wusste Rat: Bei Hickel an der Schoffelgasse. Also kauften wir gleich zwei Neonröhrchen und lüfteten auf dem Weg dorthin Leni, ihren milchschoggibraunen Trüffelhund.
Nach einem Abstecher zur St.-Peter-Apotheke – denn dort und nur dort gibts laut Daniela die beste Handpflege: die Wachscrème Edition St. Peter – standen wir vor der Confiserie Honold. Da ging die Sonne auf: «Tea Room» sagt die Neonschrift.
Tea Room! Ich wurde augenblicklich zum Bueb. Im Honold sass ich immer mit meiner Grosstante Martha. Sie mit Hüetli, Händschli, Täschli. Ich in Jeans mit Bügelfalte und bravem Scheitel.

Vermicelles, Carac und Jubilee
Daniela und ich fanden Platz im Parterre. Das Lokal ist zweistöckig und sieht fast noch so aus wie damals, als ich mit Martha Stückli ass. Als die Kellerin das Tablett mit dem Cappuccino (zu Fr. 5.90) hinstellte, war das Tischchen beinahe voll. Ich holte Pâtisserie – ein Vermicelles-Törtchen und einen Mohrenkopf für Daniela, ein Carac mit seinem giftgrünen Deckel aus Fondant und ein Jubilee-Törtchen für mich. Alles zusammen machte 17 Franken ungerade.
Das Jubilee-Törtchen – 2005 erfunden, weil Honold 100 wurde – ist im Herzen aus Schoggi und trägt Schoggilöckli. Die sehen aus wie die Locken von Leni dem Hund, der den Boden ableckte in der unerfüllten Hoffnung, ein paar Krümel zu finden. Daniela lobte das Vermicelles schon darum, weil der Boden aus Blätterteig war und nicht aus Zuckerteig mit Schoggiüberzug wie beim Grossverteiler. Honold macht alles frisch und womöglich am Ort: die Canapés und Birchermüesli am Rennweg, die Glacen, Pralinés und Schokoladen in der Filiale in Küsnacht.

«Wunderbar, hier zu arbeiten»
Geführt wird das Geschäft mit seinen 85 Mitarbeitern von Cristina de Perregaux, der Urenkelin von Gründer Fritz Honold und Nichte von Charlotte (Lotti) Honold. Sie zog sich Ende 2010 zurück, ist aber weiterhin mit «Lotti’s Best» präsent – als Praliné. – «Es ist wunderbar, hier zu arbeiten», sagte die Verkäuferin hinter der Vitrine, «schauen Sie sich die Pralinés an, sind die nicht einzigartig? Im Moment ist ‹Gin & Lemon› mein Liebling. Möchten Sie eins probieren?» – Es war aussen dunkel und innen weiss und schmeckte umwerfend. «Kein Wunder, hat Honold mit diesem Praliné gewonnen!», lobte ich. – «Ah, den Preis, meinen Sie? Den erhielten wir für die Schokolade. Möchten Sie ein Stückchen?»
Wir kosteten die Varianten «Erdbeer» (selten so etwas Feines gegessen), jene mit Chili (selten in so etwas Scharfes gebissen) und kauften eifrig ein, als die Verkäuferin sagte: «Früher war mein Lieblingspraliné das Kirschspitzli.» – «Dann legen Sie doch ein paar dazu, bitte!» – «Sie vertrauen mir ja blind», meinte sie fröhlich.
Aber ja doch! Jederzeit! Und gab vergnügt für Pralinés für Daniela, Jürg, Irene, Susanna und mich so viel aus wie Tante Martha mir im Honold jeweils in die Hand gedrückt hatte. 100 Franken. Und später, als ich in ein «Gin & Lemon» biss, dachte ich mit Wehmut an sie. – Friede ihrer Asche.

René Ammann*

Confiserie Tea Room Honold, Rennweg 53, 8001 Zürich, Tel. 044 211 52 58, www.honold.ch. Montag bis Freitag von 8 bis 18.30 Uhr, Samstag von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Daniela Gysel (und ihrem Hund Leni, der nichts bekam).