Drei Männer und ein paar Hühner

«Können Götter altern?», fragt das grosse Wandbild in der renovierten «Spaghetti Factory» an der Niederdorfstrasse. Gute Frage. Andere Frage: Wie schmeckts?

Reservationen seien nur über Mittag möglich, sagt der Mann am Telefon, am Abend habe es zu viele «Walk-ins» – Passanten, die ins Lokal schneien. Okay. Also trafen wir uns beim Eingang. Wir, das sind der Lars mit dem roten Gips an der linken Hand (Velounfall, ohne Alkohol), der Micha mit dem kaputten Knie (Meniskus) und ich mit der dicken Nase (lassen wir das).
Die «Factory» ist eins von 43 Restaurants der Bindella-Gruppe. Über ein Dutzend Bindella-Lokale liegen ent­weder im Kreis 1 oder einen Steinwurf daneben wie das «Conti» hinter der NZZ. Geführt wird die Gruppe von ­Rudi Bindella. Er beschäftigt 1300 Menschen aus 64 Nationen und macht etwa 150 Millionen Franken Umsatz pro Jahr. Bindella ist der grösste private Gastronom der Schweiz – und ein pragmatischer. Er serviert das, was die Gäste wünschen, und wünschen die keine tendenziell langsamen Gerichte wie im «Terroir» im Schauspielhaus, dann ändert er das Konzept, tauft das Lokal in «Santa Lucia» um und tischt den Theaterbesuchern schnellere Gerichte auf wie Pizza und Pasta. Und wenn es gar nicht läuft wie in der ­«Casa-Bar», gibt er den Schlüssel ab.
Es ist Dienstag, und es hat Platz in der «Factory». Wir packen unsere drei Bier (Fr. 5.– die 3-dl-Stange «Chopfab») und setzen uns auf eine Holzbank am Tisch unterm Bild mit Andy Warhol (der Kunstwerke in seiner «Factory» serienproduzieren liess).

C’est pour les jeunes!
Lars Badertscher, Michael Schertenleib und Simon Gasser bilden die Pop-Combo Larry F (ohne Punkt). Lars und Micha texten und komponieren Songs und drehen dazu Videos wie «D Strass vor dim Huus». Das spielt in der Predigergasse, am Rindermarkt und an der Froschaugasse (wo Lars bei der Corpmedia arbeitet, einer Filmproduktion). Ich halte die Texte von Larry F für aussergewöhnlich pfiffig, und der Sound hat etwas Souveränes. Aber nun zum Essen.
Wir langten zu dritt beim «grossen Rindstatar» (für freundschaftliche Fr. 26.–) zu. Der Service (aufmerksam, charmant) brachte uns umgehend eine zweite Runde geröstetes Brot. Es schmeckte allen drei. Bei der Zigi draussen lugte ein Tourist ins Lokal und sagte zu seinem Begleiter: «C’est pour les jeunes.» Merci bien!

Oje, schon wieder ein Huhn!
Lars ass Spaghetti Alaska, «weils so schön tönt» (zu Fr. 24.–, mit Lachs und Champignons), ich die Bolognese (Fr. 19.–) und Micha nahm Tennessee (Fr. 23.–). «Mit Huhn, was sonst», sagte er und lachte. Den Witz begriff ich erst, als ich mir «Achtung, fertig, WK!» ansah. Micha spielt einen Rekruten, der sich nach einer Freundin sehnt und stattdessen vom Mami mit Strick­waren bedient wird. Warum das Publikum vor Gaudi brüllte, als er in der ­Küche Hühner marinierte, müssen Sie selber herausfinden.
Ich hatte zum Weissen gewechselt (ein Italo zu Fr. 6.50 der Dezi), meine Gäste blieben beim Bier. «Der Koch ist nicht verliebt», sagte Lars und salzte nach. Im Raum steht ein Fotoautomat, wir wollten ein Erinnerungsbild schiessen. «Er ist leider kaputt», sagte der Service. «Man lässt auch keine Kinder damit spielen», sagte Lars. Er dreht gerade mit dem Rapper Greis ein Video gegen die Durchsetzungsinitiative – «vermutlich in einem Hühnerstall mit lauter weissen Hühnern. Und einem braunen.»
Mir kam zu den durchaus leckeren Spaghetti in der «Factory» in den Sinn: Als ich im «Certo» im Kreis 4 zur Kellnerin sagte: «Das ist die beste Bolognese, die ich je gegessen habe», antwortete sie: «Nein, das ist sie nicht. Die beste Bolognese macht… mein Mami!»

René Ammann *

«Spaghetti Factory Rosenhof», Niederdorfstrasse 5,
Tel. 044 251 94 00, www.spaghetti-factory.ch.
Offen Sonntag bis Donnerstag 11.30 bis 0.30 Uhr, ­Freitag und Samstag bis 2 Uhr.


*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit zwei Gästen, dem Musiker und Filmer Lars Badertscher (Larry F) und dem Musikproduzenten und Schauspieler («Achtung, fertig, WK!») Michael Schertenleib (www.larryf.ch).