Gelée, so fein wie Flor

Wissen Sie, wo die Zürichberghalde liegt? Auch nicht? Dort, wo der «Florhof» ist. Wer das Restaurant im Zipfel gegenüber dem Kunsthaus nicht kennt, verpasst etwas.

Flor ist eine alte Bezeichnung für Gaze. Im 17. Jahrhundert stellte man beim Palais Rechberg feine Textilien her, Flor also und Mousseline. Da hiess der Hirschengraben noch Hirzengraben. Ein Haus mit identischer Fassade wie der «Florhof» ist bereits auf einem Stich von 1576 zu sehen, und den Neptunbrunnen links vom Eingang des «Florhof» gibts seit 1770. Doch nun zur Neuzeit, nein, halt, gleich beim Eingang zum Restaurant steht ein wunderschöner steinalter Kachelofen. Dem wird bei kaltem Wetter tüchtig eingeheizt.

Stadelhofen – Paris – retour
Connie King sass bereits auf dem bequemen Sofa am Tisch. An einem Vierertisch spiesen bolzengerade zwei Paare, und an der langen Tafel daneben hoben acht Herren und eine Dame die Gläser – Gäste der nahen Universität. Und die selbe Combo, als wäre die Zeit stehen geblieben seit dem letzten Mal, als Connie und ich im «Florhof» assen. Da lag die Direktion noch nicht in den Händen von Isabelle Zeyssolff. Connie hatte mir einen Gutschein zum Geburtstag geschenkt und im Nahen Osten gelebt.
Frau Zeyssolff, die das Hotel «Florhof» seit Juli 2014 führt, akzeptierte den Gutschein dennoch. Nach sieben Jahren! Beinahe so lange war sie an der Kanti Stadelhofen gewesen. In Lausanne schloss sie die Hotelfachschule ab und war für die Hyatt-Kette tätig, in Paris, Mainz und zuletzt in Zürich. Zu ihrem Antritt wurden die 32 Zimmer im «Florhof» sanft renoviert und eine Lounge eröffnet. Im Sommer soll die Terrasse wieder bedient sein, man möchte das kleine schicke Restaurant gewissermassen öffnen.

Fast zu schön zu essen
Zum Wiedersehen griffen wir zu Champagner (die Flûte zu Fr. 16.–), und Connie lachte plötzlich: «Oh, nein, schau! Ich bin jetzt eine Schlüssel-Omi!» An ihrem Hals baumelte der Schlüssel zur Wohnung ihres ersten Enkels Alois (die Fotos des Einjährigen folgten sogleich). «Ich hätte damals deine Einladung nach Hongkong annehmen sollen», sagte ich. Zur Übergabe der Inselgruppe an China, 1997. «Dass ich nicht dort war, bereue ich bis heute.» – «Ja, ich war dort… Wie lange kennen wir uns eigentlich?»
Das Amuse-gueule war köstlich. Der Chef de cuisine, Patrick Leuenberger, bereitete für uns einen sehr schmackhaften Raviolo (Fr. 44.–) zu. Man merkt ihm die Schule in «Samuels Restaurant» in Thirroul, Australien, an. (Thirroul klingt wie Tirol und liegt in der Nähe von Sydney.) Die Teller sehen aus wie Paletten, auf denen das Essen präsentiert wird wie essbare Edelsteine. So wird im «Florhof» sogar ein Randensalat sexy. – Zur Feier des Wiedersehens nach so vielen Jahren hatte ich einen Chassagne-Montrachet bestellt (zu Fr. 150.–), einer der besten Weissweine, die ich kenne. Auf der Karte gibts auch einen Elsässer aus dem Haus Zeyssolff, Gertwiller, einen Pinot noir. Aber wir hatten Fisch (Connie) zu Fr. 44.– und Schweinebauch (ich) zu Fr. 38.– bestellt. Beide Gerichte sahen grossartig aus und schmeckten auch so.
Deftige Gerichte sind in dieser verwunschenen Ecke Zürichs Tradition. Auf der Menükarte aus den Jahren, als Hongkong gerade zur Kolonie Grossbritanniens wurde, spiesen die Gäste im nahen Palais Rechberg unter anderem «Güggel», «Schnäpf» (Schnepfen), Rehläffli (Schulter), gefüllte «Amelettli» (Omeletten) und – warum auch nicht? – gefüllte Ohren, bevor die «Kirschwassertorte» aufgetragen wurde. Wir bekamen zum Espressso (Fr. 4.50) hausgemachte Pralinés und Fruchtgelée, der war so fein wie Flor.
A propos Auftragen: Die beiden jungen Servicefachkräfte Mareike und Oliver machten ihre Sache prima. Wenn die Bedienung bloss überall so sympathisch und versiert wäre wie im «Florhof».

René Ammann*


Restaurant «Florhof», Florhofgasse 4, 8001 Zürich,
Tel. 044 250 26 26. Offen mittags 11.45 bis 14 Uhr, abends 18 bis 22 Uhr. Samstagmittag und Sonntag ganzer Tag geschlossen. www.hotelflorhof.ch.


*René Ammann isst und trinkt jeweils mit einem Gast, weil es geselliger ist. Diesmal mit Connie King.