Eine Eloge auf Emilie

Superfrauen haben es in Zürich bekanntlich nicht leicht. Es gab die letzte Fraumünster-Äbtissin Katharina von Zimmern (1478-1547), aber auf sie kann sich Ihre Stadtpatronin Regula nicht ständig berufen.
Und Anna Zwingli-Reinhart, zwei Jahre die Konkubine und sieben Jahre die Ehefrau von Huldrych Zwingli und Mutter seiner Kinder, die älteste Tochter hiess Regula, hat erst seit kurzem wieder mehr Renommee, dank dem Filmregisseur Stefan Haupt und dem Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist. Anna Zwinglis Elternhaus war der Gasthof «zum Rosslyn», das heutige Boutique-Hotel Helmhaus. Dort hatte Annas Bruder Bernhard während des reformatorischen Bildersturms rechtzeitig das berühmte Stadtbild von Zürich, um 1500 von Hans Leu dem Älteren gemalt, hinter dem Täfer versteckt. Es wurde erst im 19. Jahrhundert während einer Renovation zufällig entdeckt und hängt seither gottlob im Schweizerischen Nationalmuseum, dem ehemaligen Landesmuseum.
Eine Superfrau für Zürich war im 20. Jahrhundert Emilie Lieberherr (1924-2011) aus dem Urner Eisenbahnerdorf Erstfeld. Sie war Zürichs erste Stadträtin, ab 1970. 24 Jahre lang managte die promovierte Nationalökonomin, Gewerbeschullehrerin, Konsumentinnenschützerin und engagierte Frauenrechtlerin das Zürcher Sozialamt, heute Sozialdepartement, zuvor Wohlfahrtsamt. Während fünf Jahren war sie auch Ständerätin. Sie war Initiantin der kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstsüchtige auf dem Platzspitz, sie führte in Zürich die Alimentenbevorschussung ein, richtete Altersheime ein und manches mehr. Jahrzehntelang lebte sie, als es für das offene Bekenntnis zu dieser Lebensform noch Mut brauchte, im Konkubinat mit Minnie Rutishauser (1920-2015). Dieser Tage erscheint im NZZ-Libro-Verlag eine reich illustrierte Biografie aus der Feder der Publizistin Trudi von Fellenberg-Bitz, «Emilie Lieberherr. Pionierin der Schweizer Frauenpolitik». Lesen!
Regula wuchs dieses «Fräulein Dr. Emilie Lieberherr» besonders ans Herz, als sie 1985 in «ihrem» Quartier ums Grossmünster das Haus Karl der Grosse an der Kirchgasse/ Oberdorfstrasse, lange Jahre ein abstinentes Lokal des Frauenvereins, in ein Seniorenzentrum umgestalten liess, mit Wohnungen, Restaurant und repräsentativen Versammlungsräumen im ersten Stock. Dort hielt sie gerne und oft Hof. Dass sie und ihr Stadtratskollege Jürg Kaufmann wegen interner Querelen von der sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen wurden, mag Regula nicht kommentieren. Zur Zeit ihrer – historisch wie so vieles umstrittenen – thebäischen Legion gab es die SP noch nicht.

Regula