Für ein gemütliches Zuhause

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Zwei Altstadtbewohnerinnen haben ein Aufräum- und Umgestaltungsangebot für Wohnräume lanciert. Sie haben einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet und ergänzen sich optimal.

«Mit der Zeit sammelt sich halt so einiges an.» Das kennen wir alle. Aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen. Es ist sozusagen ein Naturgesetz. Bereits bei Dreijährigen lässt es sich beobachten und sobald die ordnende elterliche Hand wegbleibt, kann es leicht überborden.
Wem beim «Sich-Ansammeln» nur seine kostbare Sammlung von Gemälden oder Oldtimer-Autos in den Sinn kommt, braucht hier auch gar nicht weiterzulesen.
In der Altstadt nämlich haben sich zwei Frauen zusammengetan mit dem Ziel, andere zu unterstützen beim Rückbau von Ansammlungen, beim Ordnen, beim Sich-neu-Einrichten.
Man braucht nämlich gar kein Messie zu sein, um sich nicht mehr so richtig wohlzufühlen in den eigenen vier Wänden. Man hat zu viele Sachen, findet nicht mehr alles auf Anhieb. Gerade in den vielerorts engen Wohnverhältnissen in der Altstadt, wo wenig Stauraum und oft kein Estrich vorhanden oder der Keller zu feucht ist. Hier setzen die beiden initiativen Frauen an.

Zwei Expertinnen
Natalija Počuča hat das KV gemacht und als Flight Attendant gearbeitet, dann hat es sie zum Theater gezogen. Sie hat die Schauspiel-Abendschule absolviert und in Paris eine Theaterausbildung an der Schule Jacques Le Coq gemacht. Danach hat sie Räume inszeniert fürs Theater, seit 2006 als selbständige Szenografin Locations angeboten für Filme etc. Dann hat sie Räume inszeniert etwa für Fotoshootings für Möbelfirmen, hat als Stylistin gearbeitet. Vor zwei Jahren hat sie den Entschluss gefasst, mehr zu den Leuten zu gehen. Statt einen Raum perfekt in Szene zu setzen für ein Bild wollte sie direkt mit den Menschen arbeiten. Sie hilft mit, Privaträume einzurichten. Nicht indem man alles neu kauft, sondern sozusagen den Raum neu denkt, wie sie sagt, und mit dem Vorhandenen arbeitet.
Dominique Gemperle hat Bijouterieverkäuferin gelernt und im kaufmännischen Bereich gearbeitet, etwa als Direktionsassistentin. Immer wieder hat sie ihren Freundinnen geholfen, den Kleiderschrank zu ordnen. Bis sie von diesen hörte: «Warum machst du das nicht zu deinem Beruf?» Vorletztes Jahr traf sie den Entscheid, eine entsprechende Ausbildung zu machen und ist nun zertifizierter Aufräum-Coach. Ihr ist es wichtig, dass ihre Kundinnen und Kunden ihren eigenen Weg gehen und ihren eigenen Stil finden. Sie begleitet sie dabei. Das kann einen Kleiderschrank oder die ganze Wohnung betreffen. Daneben arbeitet sie als Bademeisterin und erteilt Yoga-Unterricht.

Raum für Neues
«Meist haben die Leute zu viele Sachen», greift Natalija Počuča den eingangs zitierten Satz auf. Dominique Gemperle ergänzt: «Die Energie des Hauses ist noch nicht so da. Denn es ist befreiend, wenn man dann mehr Platz hat. Und man gewinnt Zeit für anderes. – Man soll einen Gegenstand anschauen, in die Hand nehmen. Dann entscheiden, ob man sich davon lösen will, etwa auch ein Erbstück loslassen, auf die Reise schicken.» Natalija Počuča erklärt: «Durch das vorhergehende Aufräumen entsteht Raum für Neues. Nicht neu anschaffen, sondern neu sehen. Ein Möbel mit einem anderen Möbel neu kombinieren, der Beleuchtung mehr Beachtung schenken, Wänden eine neue Farbe geben, einen Vorhang abändern.» Wer den beiden zuhört, wie sie sich abwechselnd äussern, bestärken, ergänzen, gewinnt den Eindruck eines über eine lange Zeit eingespielten, bewährten Teams. Dabei stehen die zwei Frauen am Anfang ihres gemeinsamen Weges, sie hatten bis vor kurzem jede ihre eigene Kundschaft.
Zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist es, weil Natalija Počuča sich wiederholt mit der Thematik des Zuviel an Gegenständen konfrontiert sah. Das hat sich bei ihrer Tätigkeit, Dinge zu ordnen, in einen neuen Bezug zueinander zu bringen, Räume neu zu denken und zu gestalten, als hinderlich erwiesen.
Und da hat sie Dominique Gemperle kennengelernt, die neben dem Neu-Ordnen auch die Thematik des Reduzierens, des Loslassens abdeckt. Womit sich die beiden sinnvoll ergänzen.

Im Homeoffice
Seitdem viele Menschen im Homeoffice, also zu Hause arbeiten, ist die Einrichtung und Gestaltung der Räume vermehrt zum Thema geworden. Man will etwa das Arbeiten und das Wohnen besser trennen. Für Natalija Počuča ist das sozusagen ein Heimspiel: Beim Theater wie auch beim Herrichten von Räumen für ein Fotoshooting wusste sie Vorhandenes zu nutzen und neu zu positionieren. Und schnell zu gehen hatte es ofmals auch. Darauf hat sie ihre Intuition aufbauen können.

Es geht um das Wohlbefinden
Dominique Gemperle liegt das Ordnen und Aufräumen sozusagen im Blut: «Für mich ist Ordnung zu haben der Normalfall. Die Unordnung ist eher das Sich-Entfernen vom Normalzustand.» So fällt es ihr entsprechend leicht, hier anzusetzen. Das Aufräumen, das wissen die beiden, ist etwas Emotionales, gerade wenn sich jemand von diesem oder jenem zu trennen gedenkt. Deshalb ist es wichtig, bei diesem Vorhaben bewusst Erholungspausen einzulegen. Oder sie arbeiten mit Aufgaben: Bis zum nächsten Treffen wird ein Ziel vereinbart. Eines, das gut allein zu erreichen ist, aber vielleicht Zeit braucht. Und nochmals betonen die Expertinnen: Es geht ihnen nicht um Minimalismus, dass ein Raum zuletzt möglichst leer erscheint. Vielmehr geht es um das Wohlbefinden der Person, die darin lebt. Wobei es natürlich befreiend sein kann, wieder ungehindert durch den Raum gehen zu können. Aber dazu braucht er nicht leer zu sein.
Durch das Aufräumen und Umgestalten eröffnet sich durchaus Neues. Der besseren Ordnung wegen leistet man sich etwa weniger Fehlkäufe. Weil man die Übersicht über die Kleider im Schrank hat, weil man nicht versehentlich einen zweiten Mixer kauft, weil der andere irgendwo nach hinten verschwunden ist. Durch die bessere Ordnung und Umplatzierung, so wissen die zwei, werden Energien freigesetzt und können wieder fliessen.
Verschüttetes kann zum Vorschein kommen wie beispielsweise bei Eltern kleiner Kinder, welche die eigenen Bedürfnisse seit der Geburt der Kinder immer hintenan stellen mussten. Wenn dann Vergessenes zum Vorschein kommt wie eine Campingausrüstung, ein Badekleid, ein Fotoapparat, lässt sich das vielleicht in die Planung der Ferien oder des Alltags einbauen. Wieder mal campieren gehen oder schwimmen?
Das Angebot umfasst einerseits eine reine Beratung, wie man beim Aufräumen und Einrichten selbständig weiterkommen kann oder andererseits eine Begleitung. Man räumt dann gemeinsam den Kleiderschrank auf oder richtet die Wohnung, das Büro oder die Fotogalerie neu ein. Das ist ganz individuell, je nach Bedürfnis.
Einen Gratistipp geben die beiden Frauen: Man soll mit dem grossen Aufräumen nie im Keller beginnen. Sonst stellt man ihn danach sofort wieder voll und hat nichts gewonnen. Besser ist es, man beginnt im Kleinen, etwa mit dem Medikamentenschränklein, mit dem Aussortieren alter Medikamente. Das ist überschaubar und kann man gut alleine schaffen. Erst danach geht es an die Kleider, die Küche, die Wohnung. Persönliches wie Fotos oder Erbstücke sind schwierige Themen, weil mit Emotionen verbunden. Sie kommen eher gegen den Schluss des Prozesses. Aber noch vor dem Keller.

Elmar Melliger


Natalija Počuča, Tel. 076 437 32 92, www.dein-zu-hause.ch.
Dominique Gemperle, 079 274 83 04, www.qorganisationskuenstlerin.ch.