Am allerliebsten Austern

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Die über 100 Jahre alte winzige «Weisse Rose» an der Torgasse ist kein historisches Weinstübli mehr, sondern ein «temporary Social Club», was immer das bedeuten mag.

Die Frisk Fisk Variation (Fr. 26.–) ist ein reichhaltiger Lachsteller mit drei bis vier Sorten Lachs, einem Kaffeelöffel Lachsrogen, kalt geräucherten Shrimps, hausgemachtem Senf und Meerrettichsauce – eine komplette Mahlzeit!

Köstlichkeiten aus dem Meer
Der Geschäftsführer Nico Lenz (38) arrangierte die Köstlichkeiten «aamächelig» und kredenzte meinem Partner einen heissen Drink, der nicht auf der Karte steht: Gin, Minze, Ingwer und Limettensaft. Die perfekte Alternative zum ewigen Glühwein!
Es gäbe auch einen Frisk Fisk Bagel (Fr. 19.–) oder die Norsk Fiskesuppe mit Shrimps, rohen Lachswürfeln und Frühlingszwiebel (Fr. 13.–) oder das Lachstatar mit Kapern und einem Wachtelei (Fr. 25.–). Ja, und ein veganes Gemüsetatar (Fr. 19.–) natürlich auch.
Meine – niederländischen – Austern (Fr. 35.–) knackte der sympathische Groninger Daan van Hasselt mit Inbrunst und einem martialischen Stahlhandschuh als Fingerschutz. Er wolle nämlich weiterhin Gitarre spielen können, erklärte er. Der Zürischum-Rosé (Fr. 12.– pro Glas, Fr. 79.– pro Flasche) passte perfekt.
Bretonische Austern sind natürlich auch im Angebot. Aber die niederländischen sind würziger und hinterlassen auf der Zunge einen eigenartigen Schmelz.

Lange Vergangenheit
Die «Weisse Rose» gehört seit 1951 der Stadt Zürich, das Haus an der Torgasse 9 ist schon im ersten Steuerverzeichnis der Stadt von 1357 aufgeführt. Die Trinkstube, die es seit über hundert Jahren gibt, war einst – 1908 – der Arbeitsplatz der späteren «Kronenhalle»-Wirtin Hulda Zumsteg.
Eine der ersten Wirtinnen war die Freiburgerin Heidi Hägeli. Sie kochte für die Stammgäste sogar an Weihnachten, immer in der Küche im ersten Stock, worauf die Speisen die enge Treppe heruntergetragen werden mussten.
Die Ära Jan Aerts/Juan Cardozo begann 1993 und dauerte 24 Jahre, das winzige Lokal war auch eine wunderbare Volkskunst-Galerie. Es gab da zum Beispiel eine schöne Sammlung von Werken des stadtbekannten Blumenmanns und Kunstmalers Hans Krüsi, dessen Malereien im Stil der «Art brut» mit der Zeit Kult-Charakter annahmen.
Auch Jans Weisswürstli mit hausgemachtem süssem Senf waren weit über den Kreis 1 hinaus berühmt.

Pächter auf Zeit
2018 übernahm Stefan Wieser die «Weisse Rose»; er führte zuvor das «Freieck» im Seefeld. Mit von der Partie war der im Oberdorf wohlbekannte, immer gut gelaunte Service-Profi Peter Schäpper (ex «Rössli»). Aber das winzige Format des Lokals setzte den ehrgeizigen Zielen wirtschaftliche Grenzen.
Und nun also die vorerst letzte Neueröffnung, bevor voraussichtlich 2023 die Torgasse 9 komplett saniert werden soll: Ein enthusiastisches fünfköpfiges Team will da Gas geben. Projektleiter ist Matthias Keller, Mitinhaber der berühmten «Geerlisburg» in Kloten. Von «Zürischum» macht Merlin Kofler mit, und die «Turicum Destillery» (Alexander Rutz) rundet das Ganze ab. Besondere Aufmerksamkeit verdient Matteo Battista Trivisano, der die Marke «Frisk Fisk» nach Zürich bringt, nachdem er zwei gleichnamige, erfolgreiche Lokale in Winterthur aufgemacht hat. Ihm gehört übrigens auch das nigelnagelneue «Frisk Fisk» im ehemaligen Café «Mohrenkopf» an der Niederdorfstrasse 31. Alle fünf Partner müssen nicht von der «Weissen Rose» leben, sie betrachten das Lokal eher als gastronomisches Versuchslabor.

Ein Kontrapunkt
Dass die Corona-Pandemie sie – und ihre Gäste! – jetzt derart drangsaliert, oje! Aber aus der Idee, mit frischem Fisch und (wenn Saison ist) mit Austern einen Kontrapunkt zum gastronomischen Einerlei der Pizzerien und Bistros ringsum zu setzen, kann an diesem zentralen Standort etwas werden.
Das kleine Lokal mit 28 beziehungsweise Corona-bedingt auf 24 reduzierten Plätzen ist neu ausgestattet worden. Das Holztäfer ist türkis und senfgelb gestrichen. Keine Dekorationen, nur die Figur von einem «langen Kerl» aus der Leibgarde des Alten Fritz, der nach dem Rechten schaut.
Schlicht und schön und ein bisschen schräg, wie es die «Weisse Rose» schon immer gewesen ist.

Esther Scheidegger

Restaurant «Weisse Rose», Torgasse 9,
info@weissero.se. – Die «Weisse Rose» ist zurzeit wegen Corona geschlossen.