Im Schmiden-Zunftsaal «theäterle»

Vor 600 Jahren kaufte die Zunft zur Schmiden ihr Zunfthaus an der Münstergasse 20, Ecke Rindermarkt. Das wird gefeiert, dass die Funken fliegen. Das prachtvoll instand gehaltene Baudenkmal war auch einmal die «Kinderstube» der populären Schauspielerin und omnipräsenten Radiofrau Elisabeth Schnell, der Zunftsaal war ihre erste Bühne.

Ist das Wappentier der Schmiden-Zöifter, das sich zwischen Hammer und Zange schlängelt, tatsächlich der legendäre «Essenwurm», oder doch eher eine mythologische Äskulapnatter? Zur 1336 gegründeten Zunft zur Schmiden gehörten ja nicht nur die historischen Schwertfeger, Kannengiesser, Glogg­ner, Spengler und Sarwürcker (mittelalterliche Panzermacher, also Rüs­tungsschmiede), sondern auch Scherer und Bader, die heutigen Ärzte. Wie dem auch sei, fest steht, dass die Zürcher Zunft zur Schmiden am 13. November 1412 die Liegenschaft «Zum goldenen Horn» an der Stüssihofstatt, dem ehemaligen Salzmarkt, kaufte. Den seit 600 Jahren gültigen Kaufvertrag hütet sie mit Stolz, weist er sie doch als den ältesten, unverändert alleinigen Hausherrn eines Profanbaus in Zürich aus! Der Verkäufer damals war der bauernschlaue Stadtschreiber Konrad Widmer, der 210 Gulden kassierte. Der Keller, das «Inhaus» und die Türen dazu waren allerdings nicht inbegriffen. Schliesslich konnte die Zunft, 1548, doch noch den ganzen Gebäudekomplex kaufen, und im 21. Jahrhundert den benachbarten «Zum schwarzen ­Adler» dazu.

Zunftgeschichte
Im Jahr 1520 konnte die reich und einflussreich gewordene Zunft ihren gotischen Saal bauen. Dafür wurde das Haus um ein zweites Stockwerk erweitert. Die Decke schnitzte der Schnitzer und Tischmacher Hans Küng. Weil er aus Rapperswil (!) stammte, mussten die Zürcher Schmiden für den auswärtigen Handwerker der Zunft zur Zimmerleuten eine saftige Busse bezahlen. Noch «auswärtiger» war freilich die künstlerische Vorlage für die grotesken Figuren in schmucken Rosetten, sie sind der 1493 in Nürnberg erschienenen Schedelschen Weltchronik nachempfunden.
Zahlreiche Schmiden-Zünfter, die sich für den repräsentativen Umbau engagiert hatten, fielen 1531 mit Ulrich Zwingli in der Schlacht bei Kappel, ­allen voran, mit dem Banner in der Hand, der Hufschmied und Zunftmeis­ter Hans Schwyzer. Gottfried Keller hat ihn als Protagonisten im dramatischen Gedicht «Johannisnacht» verewigt, es wird bis heute alle zehn Jahre von den jeweiligen neun Vorstehern aufgeführt. Der gegenwärtig amtierende 96. Zunftmeister Jürg Guggisberg, Rechtsanwalt, und sein Statthalter Rolf Schläpfer, Kommunikationsberater, sind für ihre Gesellschaft Feuer und Flamme. Im 1975 gegründeten Verein «Handwerk der Schmide» ist übrigens auch die ­Altstadt prominent vertreten dank Meis­ter Walter Grob von der Glockengasse. Die Schmitte befindet sich in Wallisellen.
Zu einem Zunfthaus gehört traditionsgemäss ein gutbürgerliches Restaurant. Im Zunfthaus zur Schmiden war dies ab 1701 der Fall. Seit zwei Jahren ist dieses allerdings exklusiv nur noch für Bankette buchbar, aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Dafür mit Lift!

Im Zunftsaal angefangen
Mit einer 1901 eingebauten Kurbel­installation lässt sich eine hölzerne ­Hebewand, die den Zunftsaal teilt, hochziehen oder absenken. Diese Kurbel befindet sich ein Stockwerk höher in der damaligen Wirtswohnung, und an ihr biss sich das übermütige Wirts­töchterchen Lisebethli, Jahrgang 1930, eines unschönen Tages ein paar Zähnchen aus. Die spätere populäre Radiofrau Elisabeth Schnell erinnert sich heute noch an jenes Familiendrama! Der Schulzahnarzt, der das Kinder­gebiss flickte, tröstete sie, das sei doch apart…
Sie verlebte jedoch eine idyllische Kindheit im Zunfthaus, wo ihr Vater, Eduard Schnell, wie schon dessen Vater, der auch Eduard hiess, der Zunftwirt war, Vorvorvorgänger des seit zwei Jahren tätigen Gastgebers Stephan Bernhard. Er kochte noch auf einem Kohleherd. Elisabeths Mutter Marie, zuvor Saaltochter beim legendären ­Gastro-Pionier Ueli Prager (1916-2011) im «Elite», arbeitete selbstverständlich im Betrieb mit, der auch für die Singstudenten eine Heimat war. Das Eis lieferten Biermänner in Lederwämsern. Später zog die Familie nach Albisrieden und übernahm den «Morgenstern», der nicht mehr existiert.
In die Primarschule ging das Lisebethli ins «Hirschengraben». Im Zunftsaal konnte es mit seinen Gschpänli wunderbar «theäterle» – er war sozusagen die erste Bühne der späteren Schauspielerin, die 1948 am Stadttheater ­Luzern im «Sommernachtstraum» als Hermia debütierte. Bei Radio DRS arbeitete sie 36 glückliche Jahre – immer in Begleitung ihres jeweiligen Hundes, dem der damalige Radiodirektor Gerd Padel, als Hunde im Studio verboten wurden, sogar eine Spezialbewilligung ausstellte. Oft trat sie in Musicals von Hans Gmür auf, zusammen mit Erich Vock, Ruedi Walter und Ueli Beck. Sie gehörte und gehört zum Ensemble der «Kleinen Niederdorfoper», lebt in Zürich und gelegentlich in Lauenen BE. Seit Jahren schreibt sie Kolumnen unter anderem für das Tagblatt der Stadt Zürich. Zum 80. Geburtstag schenkte sie sich ihr erstes eigenes Buch, «En Augeblick bitte!». Und soeben ist, im Eigenverlag, ihr zweiter Kolumnenband erschienen: «Heute schon gelesen?» (ISBN 978-3-907041-51-2). Tun Sie’s!

Esther Scheidegger

Mehr Infos:
www.zunfthausschmiden.ch
www.elisabethschnell.ch