«Komponieren war mir die Hauptsache»

Mit Heinz Marti konnte kürzlich ein bedeutender zeitgenössischer Komponist seinen achtzigsten Geburtstag feiern. Der Altstadt Kurier hat den Jubilar bei ihm zu Hause am Neumarkt getroffen.

«Den Berner Dialekt habe ich halt nie ganz vergessen können», empfängt Heinz Marti seinen Besucher in breitem Berndeutsch in seiner gemütlichen Wohnung am Neumarkt, die er mit seiner Frau Carolyn Hopkins Marti bewohnt. Der Duft von Pfeifenrauch erfüllt den Raum, in dem Marti sich neben dem Klavier ans Pult setzt. Die Pfeife gehört zu ihm, und wenn er sich im Tessiner Zweitdomizil mal ohne sie blicken lässt, wird er sofort gefragt: «Dov’è la pipa?»
Mit Heinz Marti ins Gespräch zu kommen ist leicht. Sogleich erzählt er bereitwillig von seiner Kindheit in Bern, davon, dass die Schwester Klavier spielen durfte und er Geige lernen musste, aber schon als Bub Lieder komponierte. Wie er nach der Schulzeit und dem Lehrerseminar einige Jahre als Primarlehrer unterrichtete und die Schüler bis heute mit ihm in Kontakt sind. Wie er nach dem Musikstudium mit Abschluss als Bratschist und als Komponist 1961 zunächst im Zürcher Oberland war und seit 1974 in der Altstadt lebt. Zuerst an der Froschaugasse 20 im sogenannten Musikerhaus, das die Stadt an Musikerinnen und Musiker vermietet aus der Überlegung heraus, dass hier Gleichgesinnte tolerant unter einem Dach leben. Doch das Treppenhaus wirke wie ein Schalltrichter, und so habe er nach einigen Jahren bei der Ligi nachgefragt, ob es für ihn als Komponisten wohl eine andere Wohnmöglichkeit gebe. Denn weil immer irgendwelche Töne hörbar seien, könne er nur nachts arbeiten. 1986 konnte er mit seiner Frau an den Neumarkt ziehen, wo die beiden bis heute geblieben sind.

Vielseitig engagiert
Seine erste Stelle als Bratschist hatte er ab 1961 beim Zürcher Kammerorchester, danach war er drei Jahre beim Radio-Sinfonieorchester in Zürich und ab 1968 im Tonhalle- und Theaterorchester. Sein volles Pensum reduzierte er irgendwann auf ein halbes, um Zeit zu finden für seine gewerkschaftliche Arbeit. So war er als Personalvertreter im Tonhalle-Vorstand und hatte Funktionen beim Schweizer Musikerverband inne, dessen Präsident er acht Jahre lang war, sowie im Internationalen Musikerverband: «Das war eine bewegte Zeit», erinnert sich Heinz Marti, «mit Sitzungen und Kongressen in Frankreich, Dänemark, Kuba, in Budapest und in Montreal.» Nach der Trennung des Orchesters in Tonhalle- und Oper-Orchester 1981/1982 arbeitete er als Bratschist im Orchester der Oper, bis zu seiner Frühpensionierung mit 62 im Jahr 1996. «Da habe ich die Bratsche in die Ecke gestellt und seither nie mehr angerührt», erklärt der Musiker und ergänzt: «Die einen können nie aufhören, die anderen machen es wie ich.»

Umfangreiches Werkverzeichnis
Seither bleibt ihm umso mehr Zeit zum Komponieren. Denn auch zu den Zeiten, als er als Bratschist und mit nebenamtlichen Engagements voll beschäftigt war, «habe ich das Komponieren für mich immer als Hauptsache gesehen». So umfasst sein Werkverzeichnis unzählige Kompositionen ab 1960 bis 2013. «Ich habe jedes Jahr zwei bis drei Stücke herausgebracht, nur 2014 habe ich noch nichts gemacht. – Das kommt noch.» Nicht ohne Stolz sagt er, dass er zu über neunzig Prozent Auftragsarbeiten gemacht habe, sei es für grosse Orchester wie das Tonhalle-Orchester oder für Soloinstrumente, und dass alle seine Kompositionen schon ein- oder mehrmals aufgeführt worden sind, was nicht selbstverständlich ist.

Ausgleich auf der Alp
Weil sein Hobby das Strahlen, das Kristallsuchen war, dachte er, es wäre praktisch, im Maggiatal eine Bleibe zu haben. Und so kaufte er 1978 eine Alp und verbringt seither im Sommer viel Zeit mit dem Bewirtschaften des Landes, immerhin acht Hektar. Einzig der steile Aufstieg mit 600 Meter Höhenunterschied macht ihm zu schaffen, weshalb er sich seit einem Jahr jeweils mit dem Helikopter hochfliegen lässt. Auf die Frage, ob denn das kräftige Zupacken auf der Alp keine Gefahr für seinen Beruf als Bratschist gewesen sei, erwidert er: «Nun, einmal habe ich mich beim Marroniernten an der Hand verletzt und konnte zwei Wochen nicht spielen. Und auf Anraten meiner Frau, die als Cellistin beim Tonhalle-Orchester arbeitete, habe ich bei Maurerarbeiten jeweils Handschuhe getragen. Und so ist es immer gut gegangen.»
Der vitale Mann, Vater von drei längst erwachsenen Kindern aus erster Ehe, wirkt zufrieden mit seinem Leben, wie es war und ist. «Mit dem Komponieren habe ich noch nie aufhören wollen», stellt er fest. «Ich glaube, das kann man gar nicht. Man hat ja immer Ideen.»

Elmar Melliger