«Mit Augenmass umsetzen»

Nach drei Jahren Beratung in der Kommission hat der Gemeinderat die neue Vermietungsverordnung für städtische Liegenschaften am 29. November 2017 einstimmig beschlossen, nun wird ein Mietreglement erarbeitet. In der Altstadt ist jede vierte Wohnung in einer städtischen Liegenschaft. Was bedeuten die neuen Vorschriften? – Der Altstadt Kurier hat sich mit dem Vorsteher des Finanzdepartements, Stadtrat Daniel Leupi, zum Gespräch getroffen.

Die neue Vermietungsverordnung betrifft die von der Stadt zur Kostenmiete vermieteten, also selbsttragenden Wohnungen. Im Wesentlichen werden einerseits die Belegungsvorschriften, nach denen die Mindestpersonenzahl pro Wohnung der Zimmerzahl minus eins entsprechen muss, festgeschrieben. Andererseits geht es um die wirtschaftlichen Verhältnisse, das Haushaltseinkommen, das bei Mietbeginn nicht grösser sein darf als das Vierfache der Wohnungsmiete, im Lauf der Mietdauer das Sechsfache nicht überschreiten darf. (Einzelheiten dazu stehen unten, Anm. Red.) – Welche Auswirkungen erwarten Sie?

Daniel Leupi: Seit etwa zehn Jahren sind Belegungsvorschriften in den Mietverträgen enthalten, so wie das auch bei vielen Genossenschaften der Fall ist. Neu werden diese Vorschriften auch für ältere Verträge gelten. Das andere, also dass das Haushaltseinkommen das Sechsfache der Miete nicht übersteigen darf, das wird ebenfalls wirken. Wobei die Zahl der Haushaltseinkommen über 200 000 Franken in einer Erhebung von 2012 bei einem Prozent der städtischen Mietverhältnisse lag. Es gibt nur wenige Reiche in städtischen Wohnungen. Für neue Mietverhältnisse gelten die neuen Vorschriften ab Inkraftsetzung, für laufende Mietverträge wird eine Übergangsfrist von fünf Jahren eingeräumt.

Nun wird ein Mietreglement ausgearbeitet, in dem die Einzelheiten geregelt werden. Wie lange wird das dauern und ab wann beginnt diese fünfjährige Frist zu laufen?
Das Mietreglement sollte im Lauf dieses Jahres erstellt sein. Die Übergangsfrist läuft ab Inkraftsetzung der Verordnung durch den Stadtrat. Das genaue Datum steht nicht fest. Ich gehe davon aus, dass die Inkraftsetzung per 1. Januar 2019 erfolgen könnte. Sodass es ab heute also etwa sechs Jahre dauert, bis die neuen Vorschriften auch für bereits laufende Mietverträge gelten.

In der Altstadt ist rund ein Viertel aller Wohnungen in städtischen Liegenschaften, und zwar in Einzelliegenschaften zur Kostenmiete, weil es hier keine Siedlungen mit subventionierten Wohnungen gibt. Wie wird sich die Bevölkerungsstruktur durch die neuen Bestimmungen verändern?
Das lässt sich nicht so einfach sagen. Zum einen ist ja vieles bereits schon in den Verträgen enthalten. Das Verhältnis eins zu vier bei Mietbeginn etwa wird seit langem so gehandhabt, seit 2007 steht es, wie gesagt, in den Mietverträgen. Wir wollen ja auch künftig eine gute soziale Durchmischung erreichen.

Das könnte schwierig werden. Wenn eine Wohnung günstig ist und die Mieterschaft sich im Lauf der Jahre beruflich entwickelt hat. Dann kann das Haushaltseinkommen das Sechsfache leicht übersteigen.
Das ist tatsächlich so. Deshalb habe ich mich auch strikt gegen das von bürgerlicher Seite geforderte Verhältnis eins zu vier für die ganze Mietdauer gewehrt. Dann wäre eine wirtschaftliche Entwicklung verunmöglicht worden und wir hätten einen Drehtüreffekt gehabt: Kaum wäre jemand eingezogen, hätte er wieder ausziehen müssen. Hätten sich die Bürgerlichen hier durchgesetzt, hätte ich die Weisung zur Erarbeitung einer neuen Vermietungsverordnung zurückgezogen und alles wäre vorerst beim alten geblieben.

Nun gibt es den Zusatz, dass die wirtschaftlichen Bedingungen bei fünfzehn Prozent der Mietverhältnisse nicht erfüllt sein müssen. Wie ist das zu verstehen und wie wird das gehandhabt?
Das war Teil des Kompromisses. Das gibt uns etwas Spielraum, damit wir nicht so rigoros einschreiten müssen. Diese fünfzehn Prozent werden über anonyme sozioökonomische Daten erhoben. Die – wenigen – Haushalte mit wirklich sehr hohen Einkommen wären als erste betroffen, wenn wir künden müssten. Wir müssen bei Neuvermietungen und Mieterwechseln noch genauer hinschauen: Damit können wir in den nächsten Jahren vielleicht die Folgen der neuen Bestimmungen etwas abfedern. So gehe ich davon aus, dass die fünfzehn Prozent kaum oder nicht stark überschritten sein werden, wenn die Verordnung in Kraft tritt.

Wer die Bedingungen nicht einhält, dem werden von der Ligi nach Möglichkeit zwei zumutbare Ersatzangebote gemacht. Hat die Stadt überhaupt genügend Ersatzwohnungen? Und was heisst «zumutbar»?
Zunächst wird man sicher in der Nähe, in der Siedlung, im Quartier suchen. Wenn sich nichts finden lässt, könnte eine Ersatzwohnung dann irgendwo in der Stadt sein, in einem anderen Quartier. Betreffend Belegungsvorschriften läuft das heute schon so. Bezüglich zu hohem Einkommen könnte das schon zu einem Problem führen, weil die Stadt gar nicht so viele so teure Wohnungen hat.

Wie steht es bei den Belegungsvorschriften?
Ein Teil der Mietverhältnisse erfüllt die Bedingungen nicht. Bis in sechs Jahren wird aber allein durch die natürliche Fluktuation eine Verbesserung erzielt sein. In der Altstadt ist die grosse Heterogenität der Wohnungen ein Vorteil. Da sind alles Einzelliegenschaften mit ganz unterschiedlichen Wohnungen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es dies vereinfacht, Lösungen zu finden.

Wie strikt werden die Belegungsvorschriften umgesetzt?
Es ist der politische Wille, dass städtische Wohnungen genügend dicht belegt sind. Es ist meine Auffassung, dass wir mit den Ressourcen sorgsam umgehen müssen. Wer also allein oder zu zweit in einer Fünfzimmerwohnung lebt, kann dies in Zukunft nicht mehr tun. Man könnte sich etwa zu einer Gross-Wohngemeinschaft zusammentun, wenn man unbedingt in der Wohnung bleiben will, wobei sich dann das Einkommensproblem verschärft. Wir sind auch gegen Business-Appartements oder Airbnb in unseren Wohnungen, das toleriert die Stadt generell nicht. Wir wollen Menschen, die hier leben, hier zur Schule gehen, hier arbeiten, damit die Stadt lebt.

Wie werden Ausnahmen gehandhabt?
Hier hat die Ligi, welche die Leute kennt, einen gewissen Spielraum. Wenn jemand krank ist, hochbetagt, wenn soziale Not im Spiel ist oder eine spezielle Wohnsituation von den Räumen her, wird man das berücksichtigen. Auch ein kurzfristiger Ausschlag des Einkommens nach oben soll nicht dazu führen, dass man die Wohnung verliert. – Ich will keine Härtefälle produzieren. Die neue Verordnung soll mit Augenmass umgesetzt werden.

Interview: Elmar Melliger



Die neue Vermietungsverordnung
Vor drei Jahren hat der Stadtrat die Weisung erlassen, eine neue Vermietungsverordnung für Wohnungen in Kostenmiete auszuarbeiten. Nun hat die Kommission einen Vorschlag präsentiert, dem der Gemeinderat einstimmig zugestimmt hat. Nach wie vor soll die Stadt für eine gute soziale Durchmischung sorgen. Belegungsvorschriften verlangen, dass die Bewohnerzahl die Zahl der Zimmer minus eins nicht unterschreiten darf. Ausnahmen: kleine Räume, gefangene Zimmer. Das Verhältnis des Bruttomietzinses zum Haushaltseinkommen darf bei Beginn eins zu vier, im Lauf des Mietverhältnisses eins zu sechs nicht übersteigen. Bei Einkommen unter 70 000 Franken gilt das nicht. Das 200 000 Franken übersteigende Vermögen wird zu zehn Prozent dem steuerbaren Einkommen zugerechnet. Werden die Bedingungen nicht eingehalten, welche mindestens alle zwei Jahre kontrolliert werden, so bietet die Stadt (bis zu einem Haushaltseinkommen von 230 000 Franken) nach Möglichkeit zwei zumutbare Ersatzwohnungen an. Lehnt man diese ab, erfolgt die Kündigung. – Die Einzelheiten regelt ein Mietreglement. Die Stadt wird darüber zu gegebener Zeit informieren.
EM