Foto: Niklaus Stauss

Zu seinem 80. Geburtstag hat Barbara Stauss ihrem Vater ein Buch geschenkt. Einen prächtigen Band mit Fotos des Fotografen. Es ist sozusagen ein Einblick in sein Lebenswerk. – Der Altstadt Kurier hat ihn getroffen.

Ein Konformist ist er gewiss nicht. Zuerst hat er, aufgewachsen in Rapperswil, den Vorkurs der Kunstgewerbeschule absolviert und dann eine Lehre als Schaufensterdekorateur bei Jelmoli gemacht. Später dann hat er eine Werbeagentur gegründet, an der Mühlegasse oberhalb des Jazz-Clubs «Africana» im heutigen Hotel Scheuble. Seit seiner Jugend hat er immer fotografiert. Er hat etwa ab den 1950er-Jahren als freier Fotograf ge­arbeitet, etwa ab den 1970er-Jahren davon leben können. «Ich habe zehn Berufe!», sagt er. Er lässt sich nicht so leicht einordnen. So hat er mal eine alte Gipsmühle gekauft und zu Wohnzwecken umgebaut, in Unterehrendingen. Oder später eine ganze Anzahl Gebäude im Tessin gekauft und zu einem Rustici-Feriendorf umgebaut, teilweise hat er dafür Handwerker gehabt, immer aber auch selber Hand angelegt. Wir sitzen im «Corazon» respektive davor, seine Frau Rosmarie ist beim Gespräch auch dabei, und nach und nach gesellen sich weitere Personen dazu, schliesslich sind wir zu sechst und alle parlieren mit. Sein Hauptinteresse als Fotograf galt immer den Bereichen Kunst, Musik, Theater, Oper, Literatur, Film, Tanz.

Zwei Millionen Fotos
Etwa 50 000 Persönlichkeiten hat er fotografiert, viele davon haben später Karriere gemacht. Er hat irgendwie ­einen Sinn dafür. Auch dafür, am richtigen Ort zu sein, da, wo etwas passiert. In 43 Ländern ist er gewesen zum Fotografieren. Etwa zwei Millionen Fotos habe er gemacht, schätzt er, die erste Million noch analog. Wobei ein Teil des Archivs damals beim Hausbrand am 30. August 1984 zerstört wurde, am Predigerplatz 30. Hier wohnt er mit seiner Frau Ros­marie seit 1965, also über 50 Jahre. In der Küche hat man auch die Körperpflege gemacht, in einer Ecke hinter einem Vorhang war das Fotolabor eingerichtet. Nach dem Brand, nach anderthalb Jahren im Exil, konnte man in die Wohnung zurückkehren, die nunmehr zwei statt drei Zimmer hat, dafür mit Bad.

Die Tochter Barbara, mittlerweile Bildredaktorin in Berlin, hat als Herausgeberin vier Jahre gearbeitet an dem Buch. Die Buchvernissage fand am 30. August im Cabaret Voltaire statt, mit rund 200 Gästen. Das Buch gibt in chronologischer Folge einen Einblick ins Schaffen des Fotografen, angefangen in den 1950er-Jahren.

Noch immer aktiv
Früher, gibt Niklaus Stauss zu bedenken, ging alles weniger schnell. Beispielsweise erschien der Bericht vom Filmfestival in Cannes oder vom Rennen in Monte Carlo eine Woche später. Alles war weniger perfektioniert. Gab es etwa von einem chinesischen Film keine Szenenfotos, fotografierte er von der Leinwand. Er hat immer als freier Fotograf gearbeitet und seit 60 Jahren auch für die Agentur Keystone. Am besten gelaufen ist es in den 1980er- und 1990er-Jahren. «Da hatte ich jeden Tag ein Bild in der Zeitung oder manchmal auch mehrere. Heute muss bald jeder Journalist seine Fotos gleich selbst machen. Es ist immer schwieriger geworden, eine Foto zu platzieren.»

Sein Archiv geht übrigens nach und nach über in die Schweizerische ­Nationalbibliothek in Bern. Etwa 500 Archivschachteln sind schon weg. Die fein säuberlich beschrifteten Boxen mit den ordentlich beschrifteten Fotos und allenfalls Einladungskarten zu einem Anlass etc. «In wenigen ­Minuten finde ich jedes Foto», sagt ­Niklaus Stauss. Die Legenden im Buch hat Rosmarie Stauss nochmals alle kontrolliert. Sie unterstützt ihren Mann bei seiner Tätigkeit im Hintergrund.

Niklaus Stauss kann das Fotogra­fieren bis heute nicht lassen, ist ­ständig mit der Kamera unterwegs: «Ich ­mache immer noch täglich etwa 100 Fotos. Fürs Archiv, für Keystone. Und dass ich noch weitermachen kann.»

Elmar Melliger

 

«Foto: Niklaus Stauss – Mit der Kamera unterwegs seit 1950». Herausgegeben von Barbara Stauss. Edition Patrick Frey, 2018. 445 Seiten, ca. 70 Franken.

Ausstellung Niklaus Stauss bei der Buchhandlung «Never Stop Reading», Untere Zäune/Ecke Spiegelgasse, bis Ende Oktober.