Ausweitung der Kernkompetenzen

Die Druckerei Hürlimann ist immer mit der Zeit gegangen. Das hat ihr zu einem langen Leben verholfen. Und so kann sie dieses Jahr ein besonders stolzes Jubiläum feiern.

Begonnen hat alles 1896 an der Mühlebachstrasse 43 im Seefeld, als Gottlieb Hürlimann zusammen mit dem Schriftsetzer Julius Fischer seine Druckerei gründete. Gottlieb Hürlimann war gut vernetzt, was ihm Aufträge von Turn-, Sport- und Musikvereinen eintrug und das Geschäft zum Florieren brachte. Bereits zwei Jahre später zog er um ins Oberdorf, der zentralen Lage wegen. Und dort ist das Unternehmen noch immer, das der Patron Gottlieb Hürlimann an dessen Sohn Robert übergab, welcher es seinem Sohn Robert – wegen der Verwechslungsgefahr Sämi genannt – weitergab, von dem es dessen Sohn Robert 2004 übernahm.

Davor hatte Letzterer eine Lehre als Typograph absolviert und sich in Lausanne zum Druck- und Verpackungsingenieur HTL ausbilden lassen. Dann zog es ihn – wie davor seinen Vater – in die USA, wo er in Berkeley bei San Francisco fünf Jahre als Betriebsleiter einer Druckerei arbeitete. Nach einer Weltumsegelung mit seiner Frau Heipua kehrte er 2003 zurück und begann im Familienbetrieb zu arbeiten, den er ein Jahr später von seinem Vater übernahm.


Innovationen
Das Unternehmen mit solch langjähriger Erfahrung darf auf eine treue Stammkundschaft zählen, wie etwa Louis Widmer: Das Kosmetik-Unternehmen lässt hier seit zwei Generationen die Beipackzettel drucken. Als ältesten Kunden nennt Robert Hürlimann den Zürcher Yacht Club, für den man seit 1916, seit über hundert Jahren, den Jahresbericht druckt.

An diesem Beispiel lässt sich die Innovationskraft des Unternehmens mit derzeit siebzehn Mitarbeitenden schön zeigen. Der aktuell vorliegende Jahresbericht in Buchform wurde nämlich auf der Digitaldruckmaschine produziert, was neue Möglichkeiten ergibt, wie etwa personalisierte Exemplare. «Lieber Hans» oder «Sehr geehrte Frau Meier» lässt sich beispielsweise auf eine der ersten Seiten drucken. Oder ein personalisierter QR-Code, mit dem man sich anmeldet für einen Anlass oder teilnimmt an einem Wettbewerb. Dies alles eingedruckt in ein Buch! Auch kleine Auflagen sind mit der Digitaldrucktechnik kostengünstig zu haben. Und es lassen sich Sonderfarben wie Gold und Silber sowie Weiss auf farbigem Papier drucken, mit hervorragendem Resultat.

Robert Hürlimann, der im zarten Alter von 31 Jahren den Betrieb übernommen hat, kam ja aus Berkeley zurück, das in der Nähe des Silicon Valley liegt, wo aufstrebende Digitech-Unternehmen eine Aufbruchsstimmung verbreiten. Davon angetan, hat sich Robert Hürlimann 2014 den Handschriftenroboter Sophie zugelegt. Dieser kann «Schnüerlischrift». 500 Briefe schreiben, mit Füllfederhalter? Oder 200 Couverts adressieren, in Handschrift? Kein Problem. Das geht zwar mit einem eher gemächlichen Schreibtempo vonstatten, aber stetig. Ohne Essenspausen, ohne Ruhezeiten arbeitet der praktische Gehilfe klag- und lautlos Tag und Nacht und bringt es so auf eine beachtliche Leistung.


Führung durch das Haus
Bei einer Führung durch den Betrieb auf drei Etagen ist zu sehen, dass Sophie Zuwachs erhalten hat. Derzeit arbeiten sechzehn Handschriftenroboter im Dienste Hürlimanns. Sie beherrschen über ein Dutzend verschiedene Handschriften, aus denen der Kunde oder die Kundin eine auswählt. Es sei denn, man möchte die eigene Handschrift auf den Einladungs- oder Trauerkarten sehen. Dann lässt man die einlesen, wonach zwei bis drei Varianten pro Buchstabe ein lebendiges Schriftbild entstehen lassen: die eigene Handschrift eben.

Der Rundgang ist wie ein Gang durch die Zeiten, weil man Maschinen und Geräte aus unterschiedlichen Epochen zu Gesicht bekommt. Da ist als besondere Augenweide die gute alte «Heidelberg»-Druckmaschine. Sie sieht weit älter aus als sie ist, gerade-

zu antik, aber immerhin hat sie mit Baujahr 1968 noch den Bleidruck gekannt, bis 1980. Heute wird sie eingesetzt zum Stanzen. Da steht eine Offsetmaschine, die lange Jahre führende Technik, und seit einem Jahr verfügt Hürlimann über eine Digitaldruckmaschine mit den erwähnten Fähigkeiten. Weitere Geräte dienen dem Ausrüsten und Aufbereiten der Druckerzeugnisse. Im Obergeschoss schliesslich ist die Druckvorstufe angesiedelt, hier stehen Computer, auf denen alle Aufträge druckbereit gemacht werden.

Betreten wird der Gebäudekomplex durch den Hauseingang an der Trittligasse 2 mit dem bunten Papagei über dem Eingang: Das Haus zum Sitkust (für Sittich/Papagei) stammt aus dem 14. Jahrhundert und war die letzte Wohnstätte des Bürgermeisters Hans Waldmann, der von 1485 bis zu seinem Tod 1489 hier lebte und dessen Wohnstube Robert Hürlimann als Büro dient.

Die Gebäude gehören übrigens der Familie Guyer. Diese unterhält (mittlerweile in dritter und vierter Generation) mit der Druckerei Hürlimann (in vierter Generation) eines der vermutlich ältesten Mietverhältnisse der Stadt. Es besteht seit 123 Jahren.


Verschiedene Standbeine
Über Jahrzehnte, von 1924 bis ca. 1980, waren die VBZ Hauptkunde der Druckerei: sämtliche Billette wurden hier gedruckt, bis das Volumen explodierte, als der Zürcher Verkehrsverbund, der ZVV, übernahm. Hürlimann musste sich etwas einfallen lassen, schaffte sich neue Maschinen an, stellte um von Blei- auf Fotosatz und fokussierte sich auf Geschäftskunden, auf KMUs. Die Lage inmitten der Altstadt hat den Nachteil, dass Parkplätze vor dem Haus fehlen, auch ist das historische Haus verschachtelt. Doch der Vorteil der zentralen Lage überwiegt, die Nähe zur Kundschaft ist viel wert.

Ein wichtiges Standbein ist inzwischen der Trauerdruck, also Trauerzirkulare. Hier besteht übrigens ein Zusammenarbeitsvertrag mit Tages-Anzeiger und NZZ: Falls jemand eine Todesanzeige in der Zeitung aufgibt und zugleich Trauerkarten wünscht, geht der Auftrag ins Oberdorf.

Auch ist man im Marketingbereich aktiv, macht Mailings für Kunden. Zum Akzidenzdruck gehören Briefpapier, Visitenkarten, Beipackzettel etc. oder man druckt Periodika wie Mitarbeiterzeitungen.

Und wie erwähnt nutzt man cross-mediale Möglichkeiten, übernimmt die Schnittstelle zwischen Druck und Online. Beispielsweise kann man über einen QR-Code an einem Wettbewerb teilnehmen. Der Rücklauf wiederum lässt sich für den Kunden digital auswerten.

Robert Hürlimann: «Viele fahren heute auf der Digitalschiene. Damit sparen sie Geld, das sie dann in gute Printprodukte investieren. Richtig eingesetzt, lässt sich damit eine enorme Wirkung erzielen.»


Grosses Jubiläumsfest
Für die Einladungskarte zum Jubiläumsfest kamen unterschiedliche Drucktechniken zum Einsatz: Die Karte aus Karton wurde produziert mit traditionellem Buchdruck mit Haptik (die Oberfläche vertieft und erhöht), gedruckt auf einer Maschine mit Baujahr um 1960 herum. Auf der Innenseite steht die Einladung, vom Patron (mit gütiger Unterstützung des Schreibroboters) mit Füllfeder geschrieben, ausserdem ist ein Button mit einem personalisierten QR-Code aufgeklebt. Ein kleines Bijou, diese Einladungskarte. Ein grosses Bijou dann das Fest.

Im Innenhof versammelten sich am 2. September 2021 die 125 geladenen Gäste unter dem Zeltdach, das an diesem prächtigen Spätsommerabend gar nicht nötig gewesen wäre. Sie wurden verwöhnt mit einem Apéro und mit Grilladen vom Feinsten (Stichwort: Fleisch von Oyo de Agua) und später mit Live-Musik. Unter anderem das hervorragende Mietverhältnis lobten in kurzen Ansprachen der Patron Robert Hürlimann, dessen Vater (90-jährig) ebenfalls am Fest war, sowie der Hauseigentümer Werner Guyer. Und Robert Hürlimann bat seine Familie auf die Bühne, überreichte seiner Frau Heipua einen riesigen Blumenstrauss und sagte: «You’re my heroes!» Die zwei Töchter übrigens (12- und 7-jährig), eine weitere Innovation, heissen beide nicht Robert. Auch nicht Roberta.

 

Elmar Melliger