Eine wichtige Institution

Das Café Yucca an der Häringstrasse ist längst nicht mehr wegzudenken. Es ist eine wichtige Anlaufstelle für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Seit einem halben Jahrhundert schon.

Eigentlich ist es auch sein Jubiläum: Seit dreissig Jahren arbeitet der Teamleiter Kurt Rentsch beim Café Yucca. Angefangen hat alles am Limmatquai, erzählt er im Hinterzimmer des zu dieser Stunde noch geschlossenen Café Yucca an der Häringstrasse 20. Am Limmatquai 112 betrieb das Foyer der Zürcher Stadtmission ein Café mit Mittagstisch als Ort der Begegnung, mit Mitternachtsfoyer in der Freitagnacht bis in die Morgenstunden, für «Nachtschwärmer, für Halbstarke oder Rocker auf der Gasse». Es war noch die Zeit der Polizeistunde um Mitternacht, bis um 2 Uhr hatten nur einige Nachtlokale geöffnet.
Hier wurde 1973 das Jugendcafé «JuCa» als «Treffpunkt für Jugendliche» eröffnet, im zweiten Stock, der Etage mit dem Glasvorbau. 1978 erfolgte der Umzug an die Häringstrasse 20, in ein ebenfalls der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich gehörendes Haus, während am Limmatquai 112 die Kantonalbank Einzug hielt. Heute hat sie da noch einen Raum für Bancomaten.

Veränderte Zielgruppe
An der Häringstrasse 20 hat die Evangelische Gesellschaft ihren Sitz. Im Erdgeschoss war fortan das «JuCa», das bewegte Zeiten durchlebt hat. So hatte 1992 die Drogenszene das «JuCa» kurzzeitig so stark in Beschlag genommen, dass es für vier Wochen geschlossen werden musste. Wiedereröffnet lautete die Devise: «Keine Drogen, kein Deal!» Wer sich nicht daran hielt, wurde weggewiesen.
Weil vermehrt auch ältere Gäste gern die «Wohnstube» besuchten und immer weniger Jugendliche kamen, erhielt das «JuCa» 1994 einen neuen Namen: Café Yucca. Das klingt ähnlich, ist aber nicht auf eine bestimmte Altersgruppe fokussiert. Zudem gefiel den Namensgebern, wie aus der Yucca-Palme aus einem scheinbar verdorrten Stamm neue Triebe wachsen, als Metapher für ihr Tun an diesem Ort. Und so steht denn immer ein Exemplar dieser Pflanze im Eingangsbereich. 2002 wurden die Räume während dreier Wochen renoviert, zuletzt wieder vor sechs Jahren. Da erhielt das Café Yucca eine grössere Sanierung. Eine professionelle Küche wurde eingerichtet, eine Personaltoilette, eine Garderobe. Das neue Mobiliar bewog die Gäste dazu, vermehrt Sorge zu tragen, und die hellen Räume wirken freundlich und haben einen positiven Einfluss auf die Atmosphäre im grossen Gastraum.

Erweitertes Angebot
Im Haus war früher eine Art «Herberge zur Heimat» wie diejenige (von der Evangelischen Gesellschaft geführte) an der Geigergasse, die Handwerkern auf der Walz ein Obdach bot. Davon zeugen noch die Zimmer mit Lavabo in den Obergeschossen.
Wöchentlich ist hier die Abgabestelle von «Tischlein deck dich», bei der Leute mit wenig Geld sich mit Lebensmitteln versorgen können.
Im Jahr 2009 wurde die koordinierte kirchliche Passantenhilfe «Yucca+» als neues Projekt integriert und hat sich gut etabliert. Initiiert und getragen wurde die Passantenhilfe von der reformierten und der katholischen Kirche der Stadt Zürich. Als Folge der Personenfreizügigkeit und der Finanzkrise gelangten nämlich zunehmend verarmte Menschen aus ganz Europa in die reiche Schweiz und strandeten in Zürich. Oft landeten sie als Bittsteller in Pfarrhäusern. Von dort konnten sie nun ans Café Yucca gewiesen werden, wo man sich auf die neuen Gäste einstellte. Seither ist das Café Yucca sieben Tage die Woche geöffnet.

Die Trägerschaft
Aus der 1845 gegründeten Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich – seit 1993 eine Stiftung – ist 1862 der Arbeitszweig Zürcher Stadtmission hervorgegangen. 2016 erfolgte die Umwandlung in einen eigenständigen Verein und 2021 die Umbenennung in «Solidara Zürich». Mit dem neuen Namen ging eine Öffnung einher. Fortan beteiligten sich die reformierte, die katholische und die christkatholische Kirche der Stadt Zürich mit einer Sockelfinanzierung am Verein Solidara Zürich. Seit 2023 ist die Israelitische Cultusgemeinde Mitglied des Vereins. Solidara Zürich betreibt neben dem Café Yucca auch «Isla Victoria», das Prostituierten Unterstützung bietet.
Ausserdem besteht ein Leistungsvertrag mit dem Sozialdepartement der Stadt Zürich. Zusätzlich ist man auf Spenden angewiesen.
Unterstützung finanzieller Art ist willkommen und beispielsweise gut erhaltene Schlafsäcke nimmt man im Café Yucca gern entgegen. Denn es gibt immer Menschen, die sich in Wohneinrichtungen, in Notschlafstellen oder im Pfuusbus nicht wohl fühlen und lieber auf der Gasse leben, draussen übernachten, einzelne auch im Winter.

Das Angebot
Das Café Yucca bietet Nothilfe, aber keine Wohn- oder Arbeitsintegration an. Wer hier ankommt, erhält erst mal etwas zu trinken und zu essen. Sirup (im Winter Tee) und Suppe sind gratis. Andere Getränke kosten 2 Franken, ein Nachtessen gibt es für 5 Franken. Wer Rat sucht, kann sich an die Sozialberatung im Café Yucca wenden, kostenlos und ohne Anmeldung. Das neunköpfige Beratungsteam des Yucca ist mit städtischen und privaten Stellen vernetzt und kann falls nötig weiter verweisen. (Ausserdem arbeitet jemand in der Küche und zwei Personen leisten ihren Zivildienst.) «Wir können die Menschen nur punktuell unterstützen», sagt Kurt Rentsch. Geboten wird ein Dach über dem Kopf, eine «Wohnstube» zu den Öffnungszeiten, und etwas zur Stärkung. Man will die Gäste befähigen zur Selbsthilfe, zur Eigeninitiative.
Allerdings kann man auch mal jemanden etwa zu einem Amt begleiten, wenn das nötig erscheint. Gerade zur Zeit unseres Gesprächs war ein grosser Einkaufswagen eines Grossverteilers im Hinterraum «parkiert». Er enthielt in vielen Einkaufstaschen verteilt die Habseligkeiten eines Mannes, der seit Jahren im Freien übernachtet. Ihn hat eine Mitarbeiterin begleitet zur städtischen Stelle ZAV (Zentrale Abklärung und Vermittlung), wo man seine Situation anschaut. Endlich hat er sich zu diesem Schritt bereit erklärt.
Menschen mit medizinischen Problemen weist man weiter an das städtische Ambulatorium oder auch mal an die Permanence. Vor Ort kann man vielleicht mal eine Wunde verbinden, mehr aber nicht.

Seinen Platz finden
Bis zu fünfzig Personen gleichzeitig können sich in den Räumen des Café Yucca aufhalten, pro Tag kommen durchschnittlich sechzig bis achtzig Personen. Das Angebot richtet sich an Menschen in schwierigen Lebenslagen, die teils auf der Gasse leben, mit psychischen und anderen Problemen. Nicht unbedingt die pflegeleichtesten Gäste. In den letzten Jahren hatte man es vermehrt mit schwierigen Situationen zu tun, mit verbaler, teils (drohender) physischer Gewalt.
Doch mehrheitlich bleibt es friedlich. Die meisten Gäste sind «allein unterwegs», wie Kurt Rentsch sagt. Neben dem genannten Angebot finden sie hier vor allem Gesellschaft. Eine Frau kommt seit der Gründung vor fünfzig Jahren hierher. Für sie ist das Café Yucca ein wichtiger Bezugspunkt, es bedeutet ihr ein Stück weit «Familie». Hier, im Yucca, fühlt sie sich nicht so allein.
«Das ist ganz wesentlich unsere Existenzberechtigung», sagt Kurt Rentsch, «Wir bieten allen einen Platz. Einen Platz, wo man sich selber und zusammen mit anderen sein kann.»

Elmar Melliger


Café Yucca, Häringstrasse 20, geöffnet Montag bis Samstag 10.30 bis 13 und 15.15 bis 22 Uhr, Sonntag, Sommerferien und Feiertage 15.15 bis 22 Uhr, www.solidara.ch/cafe-yucca.