«Dagegen wehren wir uns!»

Die Nachricht, dass dem GZ Altstadthaus die Betriebsbeiträge gestrichen werden sollen, löste in der Altstadt einen Sturm der Entrüstung aus. Niemand mochte das gleichgültig zur Kenntnis nehmen, das traf den Lebensnerv des Quartiers. «Dagegen wehren wir uns», so lautete der Tenor, als man sich vom ersten Schreck erholt hatte.

Fassungslos, sprachlos, enttäuscht, zornig, resigniert: So reagierten die Betroffenen auf die Mitteilung des Sozialdepartements der Stadt Zürich vom 2. Oktober, dem GZ Altstadthaus die Betriebsbeiträge zu streichen. Die Betroffenen: Wer aktiv am Quartierleben teilnimmt, hatte schon Kontakt mit dem GZ Altstadthaus. Denn das Team des kleinen, aber feinen GZ Altstadthaus organisiert und gestaltet massgeblich mit: den Neujahrsapéro, das griechische Frühlingsfest am Hirschengraben, den Quartierbrunch auf dem Lindenhof und anderswo, das Fest in der Frauenbadi, das Neumarktfest, das Kinderspielfest auf der St.-Peter-Hofstatt, Film- und Spielabende auf dem Leuenplätzli, Vorträge und Veranstaltungen, Werkstattführungen, den lebendigen Adventskalender, und vieles mehr, um nur einige Fixpunkte aufzuzählen. Es bietet ein hervorragendes Kinderprogramm, das jeweils von einer fröhlichen Kinderschar besucht wird. Dieses findet jahraus, jahrein statt, unspektakulär. Im GZ findet man unkompliziert ein offenes Ohr für Quartier- und andere Anliegen. Etliche Gruppen treffen sich hier regelmässig, etwa der Kindermittagstisch etc.
«Das Team leistet quantitativ und qualitativ sehr gute Arbeit», attestiert Christian Casparis, Leiter der Gemeinschaftszentren der Stadt Zürich beim Trägerverein Pro Juventute, den drei Personen, die das Haus beseelen: Hanspeter Wälchli, Michèle Heri Michel und Marc Ulmer. Sie teilen sich hundertsiebzig Stellenprozente, die den Hauptteil der Betriebskosten ausmachen.

«Selbstorganisierte Nutzung»
Zur Präzisierung: Das GZ soll nicht ganz geschlossen werden, sondern «übergehen zur selbstorganisierten Nutzung», wie es beim Sozialdepartement heisst. Von den rund 300 000 Franken Jahresbudget sollen 200 000 Franken wegfallen. Die Raumkosten von 80 000 Franken will man weiterhin übernehmen. Dazu könnten rund 30 000 Franken Einnahmen gemacht werden durch Vermietungen. Die gesparten 200 000 Franken sollen anderswo für Soziokultur ausgegeben werden, in Quartieren, die es nötiger haben. Anita Bernhard, Co-Leiterin Kontraktmanagement beim Sozialdepartement, erklärte auf Anfrage, man werde nach den Herbstferien den Kontakt mit dem Quartier aufnehmen und das Gespräch suchen betreffend Gestaltung dieser Selbstorganisation. Der Übergang zum neuen Modell soll im nächsten Jahr stattfinden, etwa im Frühjahr, genau ist das noch nicht bestimmt. Für die Angestellten soll nach Lösungen gesucht werden. Das GZ habe einen relativ kleinen Nutzerkreis, so lautet die Begründung für den Entscheid, und das Geld werde nicht eingespart, sondern umverteilt. Denn anderswo seien nicht so viele Ressourcen vorhanden im Quartier wie in der Altstadt. Wie die selbstorganisierte Nutzung aussehen könnte, das müsse man erst gemeinsam erarbeiten. Möglich wäre etwa, mit den Einnahmen aus Vermietungen jemand mit einem kleinen Pensum anzustellen. Auf die Unterstützung durch die Gemeinwesenarbeit dürfe man ebenfalls zählen. Das alles sei aber noch nicht bestimmt und wolle man mit dem Quartier ausdiskutieren, sagte Anita Bernhard weiter. – Obschon der Entscheid just vor den Herbstferien kommuniziert wurde, hat man das Vorgehen seitens des Quartiers fast über Nacht fürs erste organisiert – was für die erwähnten hohen Ressourcen spricht. Allerdings ist man hier nicht bereit, den Entscheid einfach so hinzunehmen. Denn die Ressourcen sind gleichzeitig knapp, denn alle sind berufstätig und freie Zeit steht wenig zur Verfügung, und die Leistungen, die das Dreierteam so professionell erbringt, können ehrenamtlich wohl kaum erbracht werden.

Betroffenheit und Entrüstung
Martin Küper, Präsident des Einwohnervereins links der Limmat, platzt fast der Kragen: «Wenn man gute Quartierarbeit leistet, wird man dafür bestraft! Warum geht es uns relativ gut in der Altstadt? Weil wir immer dran sind und uns einsetzen, das GZ-Team und viele ehrenamtlich Tätige; sonst ist es rasch vorbei damit. Und 200 000 Franken sparen: So viel kostet bald jeder bessere Randstein, bei unserem Perfektionismus; wenn man nur an die Kosten für diese Unterflurcontainer denkt!» Martin Brogli, Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, bringt es auf den Punkt: «Was für ein Verlust für unser Quartierleben!» Dass dies so kurz nach einer als konstruktiv erlebten Veranstaltung betreffend Zukunft des GZ Altstadthaus so massiv daherkommt, befremdet ihn. Im April 2006 fand dieses Treffen mit Verantwortlichen des Kontraktmanagements und reger Beteiligung aus dem Quartier statt. Brogli: «Wir beanspruchen von der Stadt bescheidene Mittel und das GZ wird zurzeit toll geführt. Die Leute sind nahe bei der Bevölkerung, gut verankert, die Angebote sind innovativ und es gibt keinen Grund, etwas Gutes zu zerstören. Wir müssen uns wehren!» Christian Senn, Co-Präsident des Elternvereins Altstadt rechts der Limmat: «Kinder, Familien und auch die übrige Bevölkerung würden quasi heimatlos. Eine wichtige Anlaufstelle und die Dienstleistungen würden fehlen, es wäre einfach schade. Und es widerspricht dem Anliegen, dass das Quartier auch für Familien attraktiv bleiben soll.» Christine Schmuki vom Vorstand des Einwohnervereins fragt sich, ob man überhaupt ernst genommen werde, und erschreckt bei dem Gedanken, was alles verloren gehen würde: «Was ist mit dem Kinderprogramm, den regelmässigen Angeboten im Haus? Wer ist Antriebs- und Ansprechperson bei den gemeinsamen Anlässen mit dem Quartier? Wer führt die Vernetzung zur Schule fort? Was wird aus Hanspeter, Marc und Michèle? – Eine Katastrophe!»
Voten wie die obigen liessen sich beliebig anfügen. Etwas ist klar: Man wird im Quartier nicht klein beigeben und sich vielmehr entschlossen einsetzen für das GZ Altstadthaus. Zu viel steht auf dem Spiel.

Elmar Melliger

Öffentliche Veranstaltung
Zum Thema «GZ Altstadthaus: wie weiter?» wird eine öffentliche Veranstaltung geplant. Diese findet statt am Donnerstag, 22. November, von 20 bis 22 Uhr im Zentrum Karl der Grosse an der Kirchgasse 14. (Weitere Informationen demnächst hier auf zuerich1.ch)
Alle Interessierten sind zur Teilnahme an dieser Veranstaltung herzlich eingeladen.