Euro 2008 in der Altstadt

Die Euro 2008, die Zeit der spannenden Fussballabende, ist vorbei, auch in der Host City Zürich, auch in der Altstadt. Wie hat sich der Mega-Event auf das Leben in der Altstadt ausgewirkt? Ein kurzer Rückblick.

Eigentlich war fast nichts wie gewohnt. Die Innenstadt war geprägt durch diesen Mega-Event, wenn auch nur drei Spiele in Zürich ausgetragen wurden. Die Baustellen ruhten, die Hälfte der Kinos blieb drei Wochen geschlossen, das Schauspielhaus musste einige Vorstellungen absagen. Auf der anderen Seite Festivitäten, wohin das Auge und Ohr reichte. Wobei: Gerade das stimmt so nicht. Zwar waren die diesbezüglichen Hoffnungen und Befürchtungen in der Altstadt zunächst weit verbreitet.

Weniger Umsatz als sonst
Gewerbetreibende, Ladeninhaber und Gastwirte erhofften sich von den täglich Zehntausenden von Besucherinnen und Besuchern einen Zulauf, der sich im eigenen Geschäft niederschlagen sollte. Doch dem war längst nicht überall so, wie eine kleine Umfrage ergab. «Wir hatten 30 Prozent Umsatzeinbusse», konstatierte verärgert Metzger Othmar Zgraggen von der Stüssihofstatt. «25 000 Franken Einbusse», so das Fazit von «Bauernschänke»-Wirtin Eva Haessig. Ebenso herrschte in anderen der umliegenden Geschäfte, Restaurants und Bars eher Flaute. Obwohl sich einige extra Fernsehgeräte angeschafft hatten, um ihren Gästen etwas zu bieten. Doch auch in als «fussballfreie Zone» bezeichneten Gaststätten lief es kaum besser, auch wenn man die Fussballmuffel anzusprechen versuchte.
Angelo Pfister, Co-Präsident der Geschäftsvereinigung Limmatquai/Dörfli, interpretierte das so: «Die Fans wollten sich günstig verpflegen, etwa mit einer Bratwurst, und nicht ein teures Menü sich leisten. Entsprechend schnitten die Lokale ab. Bratwurststände und auch Nachtclubs etwa liefen gut, Gastbetriebe mit gehobenem Angebot schnitten weniger gut ab. Für das Gewerbe war die Euro eher ein Nachteil.» Denn viele Leute mieden die Innenstadt, wollten wegen überlasteter öffentlicher Verkehrsmittel und gesperrter Strassen gar nicht erst in die Innenstadt reisen. Oder aber sie suchten das Gewühl und hielten sich in der Fanzone und auf der Fanmeile am Limmatquai auf, wo dafür die Post umso mehr abging. Hier versammelten sich allabendlich Zehntausende von Fans, um sich die Fussballspiele anzusehen. Man suchte geradezu die anderen Fans, die Gleichgesinnten, wollte lieber gemeinsam feiern als allein daheim.

Für viele weniger Lärm als sonst
Enttäuschten Wirten und Ladeninhabern von hinter der Fanmeile standen erleichterte Bewohnerinnen und Bewohner gegenüber. Denn auch für sie galt: Weit weniger Fans kamen durch die Altstadtgassen als angenommen oder als befürchtet. Denn am Limmatquai war schlicht zu viel los. Hier flimmerten unzählige Fernseher, konnte man sich locker fortbewegen, stehend verpflegen. Dass hier vor Programmschluss nicht ans Schlafen zu denken war, liegt auf der Hand, wobei von verschiedener Seite konstatiert wurde, dass meistens zur festgelegten Zeit die Musik abgestellt wurde.
In den Altstadtgassen herrschte nachts, so die Einschätzung vieler, mehr Ruhe als bei «Normalbetrieb». Dass dem so war, hatte zunächst bestimmt mit dem schlechten Wetter der ersten anderthalb Wochen zu tun. Kühles Regenwetter hielt die nächtliche Festlaune in Grenzen.
Andererseits war nicht nur die Witterung daran schuld, dass die Bevölkerung mehrheitlich Schlaf finden konnte. Denn dahinter steckte ebenso eine bestens funktionierende Organisation. Das Verkehrskonzept hat funktioniert. Die Sicherheit war durch starke Polizeipräsenz gewährleistet. Die Anordnung der Festmeile hielt die teils feuchtfröhlichen Besucher davon ab, nächtelang grölend durch die Gassen zu ziehen. Sogar die Geruchsimmissionen durch Urin hielten sich in Grenzen. Wohl bekamen die direkt angrenzenden Gassen etwas ab. Doch weiter ging das kaum. Und hier tat der Regen dann das Seine.
Die Mitarbeitenden von Entsorgung + Recycling Zürich leisteten hervorragende Arbeit. Am Morgen war das Limmatquai jeweils blitzblank, als ob in der Nacht nicht ein riesiges Fest stattgefunden hätte.

Tadellose Organisation
Martin Brogli, Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, fasste seine Erfahrungen zusammen: «Die Befürchtungen, dass das Quartier von Fans überschwemmt werde, haben sich nicht bewahrheitet. Es hat sich auf das Limmatquai konzentriert. Man erhielt den Eindruck, dass alles perfekt organisiert war. Die Reinigung klappte, die Polizei hat die Sicherheit gut abgedeckt.» Auch er stellte fest: «Hinten war es eher ruhiger als sonst. Die Fanmeile am Limmatquai war zum Vorteil für die Bevölkerung im dahinter liegenden Quartier.» Am Limmatquai selbst war es natürlich laut, ebenso auf der gegenüberliegenden Limmatseite, etwa an der Schipfe, wohin die Bässe der Anlagen wummerten. Dies stellte auch Christine Schmuki vom Einwohnerverein Altstadt links der Limmat fest. Die direkt exponierten Häuser wurden stark beschallt. Dahinter war es weniger lärmig als erwartet. Dass am Morgen alles blitzblank geputzt war, freute alle, bei denen die Putzmaschinen nicht vor dem Schlafzimmerfenster zirkulierten.
Auch Daniela Leeb vom Präsidialdepartement äusserte sich kurz vor Schluss der Euro 2008 positiv: «Es gab weniger Lärmklagen als erwartet und weniger gewaltbereite Fans als von vielen befürchtet.» Trotz anfänglich schlechter Witterung habe es am Limmatquai immer viele Leute gehabt, welche die spezielle Atmosphäre geniessen wollten.
Marco Cortesi, Sprecher der Stadtpolizei, konstatierte erstaunlich wenig Lärmklagen, etwa gleich viele wie im Juni 2007, auch die Kriminalität war eher geringer. Er sei aus seiner Sicht «mit allem rundum zufrieden».
Grundsätzlich kann man sicher von einer tadellos funktionierenden Organisation sprechen. Alles hat geklappt, es gab keine grösseren Pannen oder Sicherheitsprobleme, alles wurde immer wieder sauber geputzt…
Ein tolles Teamwork aller Beteiligten der Stadt Zürich.

Elmar Melliger