«Es war eine intensive Zeit»

Käthi La Roche tritt nach zwölf Jahren als Pfarrerin am Grossmünster in den Ruhestand. Wie hat sie diese Aufgabe erlebt, was war ihr wichtig? Der Altstadt Kurier hat sich mit ihr unterhalten.

Käthi La Roche, nach zwölf Jahren als Pfarrerin am Grossmünster gehen Sie in Pension. Was geht Ihnen durch den Kopf, wie fühlen Sie sich?
Ich freue mich auf die neue Freiheit, darauf, aus dem Angebundensein entlassen zu werden. Ich habe aber auch Respekt vor diesem Schritt aus dem Berufsleben, muss mir neue Strukturen geben. Und eine gewisse Wehmut ist dabei, es gibt Dinge, die ich vermissen werde.

Sie waren die erste Frau überhaupt in diesem Amt in der Geschichte des Grossmünsters. Inwiefern hat das einen Unterschied gemacht? Woran hat man es merken können, dass da eine Frau war?
Frauen führen anders. Die Aufgabe der Pfarrerin ist unter anderem eine Führungsaufgabe, eine spirituelle Führungsaufgabe. Es geht um die Vision, was in der Kirchgemeinde wichtig sein soll. Frauen meiner Generation führen zurückhaltender, zeigen nach aussen ein etwas anderes Auftreten, weil ihnen diese Rolle nicht selbstverständlich zugestanden wird. Ein Mann hat a priori einen grossen Vertrauensbonus. Frauen haben einen Malus und müssen sich ziemlich Mühe geben, diesen loszuwerden. Der Vorteil ist: Sie werden weniger als «Autorität» erlebt, das ergibt im Arbeitsklima einen fühlbaren Temperaturunterschied.

Ihre Nachfolge tritt nun ein Mann an. Was bedeutet das für Sie?
Es war ein Zeichen, einmal eine Frau zu haben an dieser Kirche. Frauen haben ganz selbstverständlich ihren Platz in der reformierten Kirche, aber nicht ganz so selbstverständlich am Grossmünster. – Für die Gemeinde war es schön, dass beide Geschlechter vertreten waren.
Das Hauptkriterium für die Stellenbesetzung waren jedoch die theologischen Kompetenzen, man hat jemanden gesucht in Ergänzung zum Kollegen. Ich freue mich sehr, dass die Wahl auf Martin Rüsch gefallen ist.

Was waren Ihnen besonders wichtige Anliegen, ihre Schwerpunkte?
Im Zentrum stand für mich der Gottesdienst, ich habe viel Sorgfalt gelegt auf Liturgie und Predigt, beides war mir sehr wichtig. Es war mir auch ein Anliegen, die Kirche Leuten zu erschliessen, die den Zugang noch nicht so hatten. Wir haben Nacht-, Kunstführungen gemacht etc. – Am Prozess der neuen Kirchenfenster beteiligt gewesen zu sein, im fruchtbaren Dialog mit dem Künster: Das war sehr beflügelnd, hat mich glücklich gemacht.
Im Alltag ist mir die Jugendarbeit sehr wichtig gewesen: Religions- und Konfirmationsunterricht, der Jugendtreff, den ich von meinem Vorgänger Werner Gysel geerbt habe, den man jedoch immer wieder «von unten» neu aufbauen muss. Das ist gelungen, der jüngste Kirchenpfleger ist aus dem Jugendtreff hervorgegangen, Philipp Glatt. Unser Katechet, Religionslehrer Nico Meienberg war in meiner ersten Konfirmationsklasse und in vielen Lagern dabei. Das erfüllt mich mit Zuversicht, das ist unsere Zukunft. Ein Stück weit ist die Saat aufgegangen, das ist etwas Schönes.

Gab es Schwieriges in Ihrer Amtszeit, weniger gut Gelungenes?
Die Anfangszeit war schwierig, nach den Turbulenzen um die Pfarrwahl. Glücklicherweise fand ich Unterstützung in der Kirchenpflege, in der Gemeinde, bei meinem damaligen Kollegen Hans Stickelberger und auch im Quartier.

Wie haben Sie es geschafft, sowohl als Gemeindepfarrerin für alle da zu sein und parallel dazu der Zentrumsfunktion der reformierten Mutterkirche nachzukommen, etwa mit Grossanlässen?
Ich bewege mich gern in der Öffentlichkeit, das ist mir nicht schwer gefallen. Pfarrerin sein ist ja ein öffentlicher Auftrag. Für alle da zu sein hingegen versteht mein Kollege Christoph Sigrist besser. Beispielsweise beim Besuchen ist er viel aktiver. Da war ich auch froh um diese Ergänzung.
Ich habe viel investiert in kulturelle Anlässe, Kunstinstallationen, Lesungen in der Krypta und so weiter. Das hatte eine grosse Ausstrahlung. Man muss Schwerpunkte setzen, kann nicht alles gleichermassen machen.

Gab es besondere Begebenheiten, an die Sie sich erinnern?
Da waren die dramatischen Ereignisse wie 9/11, der Ausbruch des Irakkrieges, der Tsunami 2007. Da haben wir besondere Gottesdienste angeboten. Beim Ausbruch des Irakkriegs haben wir ein Feuer gemacht auf dem Zwingliplatz und es drei Wochen lang unterhalten, Tag und Nacht, bis der Nachbarschaft der ständige Rauch zu viel wurde. Speziell waren auch politische Aktionen wie die Besetzung der Kirche zur Weihnachtszeit durch Sans-Papiers.

Gab es besondere Höhepunkte?
Wie gesagt, das mit den Polke-Kirchenfenstern, das war etwas Grossartiges und auch nach aussen Sichtbares. Zu den Glanzpunkten gehören aber auch persönliche Begegnungen. Oder wenn eine Konfirmationsfeier gut gelungen ist, waren das glückliche Momente. Die haben wir dann auch gefeiert, mit den Jugendlichen des Jugendtreffs. Auch die Konf- und Herbstlager auf Sizilien gehörten dazu.

Was haben Sie für Pläne für die Zukunft?
Ich hege keine langfristigen Pläne. Zum ersten Mal beziehen mein Mann Walo Deuber und ich eine gemeinsame Wohnung, nach über dreissigjähriger Beziehung.
Wir bleiben in der Stadt und freuen uns, dass wir im Kreis 4 eine Wohnung gefunden haben, in einem lebendigen Quartier, das war uns wichtig.
Zunächst gehe ich allerdings für ein paar Monate nach Frankreich, in ein Kloster im Burgund. In den vergangenen Jahren war ich wie in einem Schnellzug unterwegs. Jetzt steige ich aus und muss erst einmal zur Ruhe kommen. Ich hoffe, dass sich in der Stille und im Gebet zeigen wird, wie es weitergehen soll, langsamer auf alle Fälle!

Und was wollen Sie tun, was machen Sie gerne?
Ich arbeite gern mit den Händen, konkret, ich nähe, mit der Nähmaschine. Dann will ich besser französisch lernen. Und ich werde weiterhin theologisch arbeiten, zunächst einmal Psalmen lesen, übersetzen, interpretieren.

Ein Wort zum Schluss?
Das Pfarramt war eine sehr anspruchsvolle, zeitintensive Aufgabe. Es erfüllt mich mit grosser Dankbarkeit, dass ich am Grossmünster Pfarrerin sein, in diesem Quartier, in dem prächtigen Pfarrhaus mit den wunderbaren Räumen und dem grossen Garten wohnen und arbeiten durfte. Nun freue ich mich auf das Neue, das kommt.

Interview: Elmar Melliger


Am Ostersonntag, 24. April um 10 Uhr findet der Abschiedsgottesdienst statt, mit anschliessendem Apéro für alle in der Helferei.

Zur Person
Käthi La Roche besuchte die Schulen in Zürich und studierte Theologie an der Uni Zürich. Ausbildung in Freudscher Psychoanalyse. Klinikseelsorgerin in der Psychiatrischen Klinik Schlössli in Oetwil. Zehn Jahre lang Studentenpfarrerin in Zürich. Längere Aufenthalte in Lateinamerika. Mit zweiundvierzig Adoption eines Kindes aus Kolumbien. Wohnte zehn Jahre in der Altstadt, an der Predigergasse. Pfarrerin in Altstetten (vier Jahre) und in Erlenbach (fünf Jahre). Seit 1999 Pfarrerin am Grossmünster. Seit mehr als dreissig Jahren liiert mit dem Filmemacher Walo Deuber.